Karl-Marx-Platz umbenennen?
Ergänzung 14.12.22: Der Antrag der AfD (siehe * unten) ist mit großer Mehrheit auf der letzten Ratssitzung am 13.12.22 abgelehnt worden. Zugestimmt haben nur die Fraktionen AfD und Stadtklima. Die „Debatte“ lässt sich im Rats-TV (in der Tagesordnung unter dem Antragstitel) verfolgen.
Und wieder eine kommunalpolitische Posse. Am 6. Dezember finde ich in der WAZ-Online den Artikel „AfD: Karl-Marx-Platz umbenennen“: AfD-Fraktion will Karl-Marx-Platz in Witten umbenennen (Nebenbei: mensch beachte die auf den Platzfotos sichtbare Dichte des Baumbestands!). Mir fällt dazu nur ein: Wer kommunalpolitisch nichts auf der Pfanne hat, beschäftigt sich – und überflüssigerweise andere – mit geschichtsklitternden Schattenauseinandersetzungen um Platz- und Straßennamen. So auch wieder die Wittener AfD mit dem unsäglichen Herrn Matthias Renkel**, die den Karl-Marx-Platz in Platz der deutschen Einheit umbenennen will. Als ob es nichts Wichtigeres in Witten zu tun gäbe. Die Initiative ist glücklicherweise vorerst im HFA gescheitert.
Besonders hanebüchen finde ich die Begründung dieser Initiative, die Karl Marx für die späteren Verballhornungen seines Denkens und die menschenverachtenden Handlungen unter fälschlicher Berufung auf seinen Namen verantwortlich machen will. Nach diesem Schema könnte auch Jesus Christus für die Kreuzzüge und anderes*** verantwortlich gemacht werden, und das wäre doch evident absurd.
Im Gegenzug empfehle ich, einfach Karl Marx zu lesen und seine ethische Maxime »… alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist« (MEW 1: S. 385/MEW=Abkürzung für ‚Marx Engels Werke‘) ernst zu nehmen. Gemessen an dieser Maxime hätte ein noch lebender Marx unter seinen späteren Verballhornern das gleiche Schicksal erlitten wie Christus unter dem Großinquisitor bei Dostojewski (in „Die Brüder Karamasow“)***: Stalin z.B. hätte Karl Marx wahrscheinlich liquidiert oder in den GULAG verfrachtet.
Übrigens hat die aktuelle Schattenauseinandersetzung eine Vorgeschichte. Siehe dazu mein Beitrag „Hohenzollernviertel/Karl-Marx-Platz: Ein heller Moment von Klaus Wiegand“/21.6.17. In der Rede von Klaus Wiegand werden die Gründe für die Umbenennung des Platzes nach dem II. Weltkrieg richtig benannt. Mit einem „eifrigen Bemühen um Umerziehung“, wie die WAZ aus einem Buch von Paul Brandenburg und Karl-Heinz Hildebrand zitiert, hatte die Umbenennung nichts zu tun.
Ergänzend (siehe Kasten des o.g. WAZ-Artikels): Zu der auch überflüssigen Auseinandersetzung um die Bezeichnung „Hohenzollernviertel“ verweise ich auf meine Beiträge „Hohenzollern?“/21.6.17 und „‚Historiker‘-Kappes jetzt auch stadtoffiziell?“/24.1.18. Im Gegensatz zum Karl-Marx-Platz ist „Hohenzollernviertel“ allerdings eine informelle Bezeichnung.
*Hier der Antrag der AfD: Antrag-7.
**Unsäglich, weil Herr Renkel z.B. immer noch meint, die Ursachen der sich verschärfenden Klimakrise (menschengemacht oder?) nicht abschließend bewerten und sich ein diesbezügliches Urteil bilden zu können, obwohl mittlerweile hinreichend Belege dafür vorliegen, dass die aktuelle Klimakrise menschengenmacht ist. Für die Unterstützung dringend notwendiger kommunaler Maßnahmen gegen die Klimakrise durch Herrn Renkel und die AfD verheißt ein solcher Klima-Agnostizismus (Ich weiß nichts und ich kann nichts wissen) nichts Produktives. Übrigens: Ein derartiger Agnostizismus steht immer auf dem Sprung, die Gefahren der akuten Klimakrise abzuschwächen und zu leugnen.
***Z.B. Europäischer Kolonialismus mit angeblich christlichem Missionsauftrag, Judenpogrome, von der innereuropäischen Katstrophe des 30jährigen Krieges (evangelische „Christen“ gegen katholische „Christen“) ganz zu schweigen.
****Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Gro%C3%9Finquisitor.