Kein Highlight der Wittener Ratsarbeit: Die Mekelle-Resolution
Hier also die Resolution zur Wittener Partnerstadt Mekelle in Äthiopien, wie sie dem Rat am 15.12.20 vom Bürgerforum+ vorgerlegt worden ist: Resolution. Die Resolution ist nicht abgestimmt worden, sondern hat den Ratsmitgliedern zur Unterschrift vorgelegen. 59 Ratsmitglieder und der Bürgermeister haben offenbar unterschrieben. Dazu einige Anmerkungen:
Die gröbsten Klöpse in der ursprünglichen Fassung (siehe mein Beitrag „Antrag Bürgerforum+ zu Mekelle: Unbestätigte Behauptungen und Fake News“/13.12.20) sind glücklicherweise beseitigt worden. Dennoch bleibt immer noch ein Rest an latenter irreführender Parteinahme. Nach aktuellen Angaben der äthiopischen Zentralregierung herrscht zumindest in Mekelle kein Krieg mehr: Die militärischen Operationen seien nach der Einnahme und Besetzung von Mekelle eingestellt worden. Bombardiert worden seien nicht Mekelle, sondern Stellungen der TPLF (Diese Informationen lagen vor dem 15.12.20 vor, siehe mein oben genannter Beitrag vom 13.12.20).
Mittlerweile ist von der Zentralregierung eine zivile Regionalverwaltung einschließlich eines Gesundheitsministers für Tigray (der Chirurg des von etiopia-witten unterstützten Hospitals Ayder Dr. Fasika) installiert worden (Information von etiopia-witten am 15.12.20, 10.31 Uhr: also vor der Ratssitzung).
Deshalb ist nicht auszuschließen, dass die Resolution von einigen Adressaten (offiziellen Repräsentanten des äthiopischen Staates) als Versuch einer Einmischung in innere Angelegenheiten gewertet werden könnte. Das würde dann dazu führen, dass die Resolution – gemessen an ihrer vorgetragenen Hauptintention: „….Wir verlangen …vor allem und zuerst notwendige umfassende humanitäre Hilfen.“ – verpufft und möglicherweise sogar gegenteilige Wirkungen (unerwünschte Reaktionen dieser Adressaten: zukünftige Erschwernis der humanitäteren Arbeit von etiopia-witten) erreicht.
Denn was sich die Unterzeichnenden der Resolution unter einer „politischen Lösung“ vorstellen, bleibt vollkommen unklar. Faktisch liegt zumindest von Seiten der Zentralregierung eine politische Lösung vor: s.o. zivile Regionalverwaltung.
Diese Lösung, die eine Anerkennung der Zentralregierung durch die TPLF (Tigray People’s Liberation Front) und deren Einstellung militärischen Widerstands voraussetzt, scheint mir der einzige gangbare Weg zur Beendigung des Konflikts zu sein. Ein fortdauernder Bürgerkrieg als durch die TPLF geführter Guerillakrieg würde den jetzt schon angerichteten Schaden potenzieren. Schließlich soll es jetzt schon Tausende von Toten auf beiden Seiten geben.
Was meiner Meinung nach überhaupt nicht geht, ist der Versuch der TPLF, zwecks Erhaltung ihrer „Pfründe“ (siehe Rede des Vorsitzenden der Fraktion Bürgerforum+, die übrigens in der Realtät über die ersten Sätze nicht hinaus gekommen ist*) Tigray aus dem äthiopischen Staat herauszulösen, selbst wenn die äthiopische Verdassung das formal zulassen sollte (siehe Beitrag https://www.heise.de/tp/features/Aethiopien-Was-steckt-hinter-dem-Konflikt-in-Tigray-4989640.html).
Wenn diese Art von „Autonomie“ für Äthiopien Schule machen würde, würde das tatsächlich den Zerfall des äthiopischen Staats bedeuten, denn was Tigray recht ist, könnte den anderen 9 (!) äthiopischen Provinzen billig sein. Eine weitere stabile Entwicklung des Landes – in welcher Form auch immer – könnte mensch dann vergessen.
Neuerdings hat die EU interveniert: https://orf.at/stories/3193968/. Bei näherem Hinsehen handelt es sich um den Versuch, durch Sanktionen humanitäre Hilfen nach eigenen Vorstellungen durchzudrücken. Dieser Versuch dürfte eher kontraproduktiv sein und nach allen Erfahrungen mit Sanktionen nicht zur Veresserung der humanitären Situation beitragen, denn die Reaktion der äthiopischen Zentralregierung kam prompt: https://taz.de/Kein-Zugang-fuer-Helfer-nach-Tigray/!5739559/: Äthiopien „braucht keine Babysitter“. Eine derartige Abwehr einer Einmischung in die inneren Angelegeneheiten Äthiopiens hätte vorausgesehen werden können.
Das gilt eben auch – bei aller Betroffenheit durch die dramatische Lage – für die Resolution der selbsternannten Welt- und globalen Friedenspolitiker des Bürgerforums+, den Wittener Rat und den Bürgermeister, die offenbar meinen, nach der AU (Afrikanische Union) und dem Sicherheitsrat der UN auch noch mit erhobenem Zeigefinger auf der Matte stehen zu müssen: Äthiopien „braucht keine Babysitter“ – auch nicht ein Babysitting durch den Wittener Rat (Empfehlung einer „politische Lösung“) ohne Kenntnis der Zusammenhänge und konkreten Situation. Instruktiv zum Hintergrund, zu den Zusammenhängen und zur Situation ist folgender WikipediA-Beitrag: https://de.wikipedia.org/wiki/Konflikt_in_%C3%84thiopien_2020