Einige hässliche Züge der Grünen … (Beitrag aus 1988)
Verlängerung der Zeit zum Wählen, um Wähler zum Wählen zu animieren, wie die SPD vorschlägt? Als ob es nur an der Bequemlichkeit der Wähler liegen würde, wenn die Wahlbeteiligung zurück geht. Viel entscheidender für die Attraktivität von Wahlen dürfte das Verhalten der Parteien zwischen den Wahlen sein: sowohl nach innen wie nach außen. Was das Verhalten nach innen anbetrifft, lassen sich durch die „Machtoption“ bedingte Veränderungen im Politikstil an Hand der Geschichte der Grünen gut nach verfolgen. Ob diese Veränderungen wirklich zur größeren Attraktivität dieser Partei und zu einer substantiellen Fundierung selbst der Machtoption beigetragen haben, wage ich zu bezweifeln.
Die Grünen, deren Gründungsmitglied ich war, gibt es seit 1980. Die 80er Jahre waren für die Entwicklung der Partei besonders interessant, weil in dieser Zeit noch viel experimentiert wurde – auch mit Politikstilen. Mittlerweile sind die Grünen eine mehr oder weniger langweilige Partei geworden, die ihre Rolle als Mehrheitsbeschaffer („Mitregieren“ – was das auch immer heißen mag) verinnerlicht hat und sich bezüglich der „Professionalisierung“ ihres Politikstils kaum noch von anderen Parteien unterscheidet.
Die 80er Jahre waren eine Zeit heißer, offener Strömungsauseinandersetzungen mit offenen Grundsatzdebatten. Das änderte sich schlagartig mit dem Jahr 1990 (Bundestagswahl, erste Einheitswahl), in dem die Grünen aus dem Bundestag flogen. Von da an dominierten nicht innere Einheit, sondern innerer Deal und Pöstchengeschiebe (eins links, eins rechts), Pazifizierung der Debatten und die Kosmetik der Außendarstellung. Ziel: Rückkehr in den Bundestag und Bündnisfähigkeit auf Bundes- und Landesebene. Ob das Wählerinnenpotential dadurch wirklich erhöht worden ist, halte ich für fraglich. Denn das Potential hat auch nachher konjunkturabhängig geschwankt. Ergebnis war eher, dass eine Grundüberzeugung nach der anderen zu Grabe getragen worden ist.
Mein unveröffentlichter Beitrag stammt noch aus dem Jahr 1988, also vor dem Bruch 1990.
→ Einheit durch Konflikt Einheit durch Konflikt
Es ging mir vor allem darum, klar zu machen, dass die Dominanz von Machttechnik (Machiavellismus) negative Konsequenzen hat. Sie führt zu inhaltlichem Substanzverlust, Verapparatisierung, abnehmender Überzeugungskraft und vor allem degradiert sie die Wählerinnen und Wähler zu Objekten politischer Technik. Letztlich ist ein Politikstil auch eine Frage der politischen Ethik.
Der Beitrag in Form eines fingierten Interviews dürfte analytisch – auch für andere Parteien mit grundlegendem Veränderungsanspruch, z. B. Die Linke – nach wie vor interessant sein. Meine Erfahrung nach langen Jahren allerdings: Gegen Nicht-Lernen-Wollen verbunden mit einer – scheinbar – sicheren Pfründe kämpfen Götter vergebens. Aktuelles Beispiel: die FDP, bei der man gegenwärtig wundersame „technische“ Häutungen verfolgen kann. Nur das Kernproblem dieser Partei wird nicht angegangen: Die fehlende Glaubwürdigkeit. In diesem Fall dürfte der Zug nach den vielfältigen taktischen Verrenkungen dieser Partei vielleicht endgültig abgefahren sein.