Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert?
Wir kümmern uns einfach nicht um Budgetbeschränkungen? Als es in Witten mit den wachsenden Haushaltsdefiziten in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts los ging, gab es vorübergehend eine weise Regelung bei Haushaltsanträgen. Die Regelung besagte, dass bei kostenwirksamen Haushaltsanträgen von Fraktionen, die nicht vom jeweils vorliegenden Haushaltsplan abgedeckt waren, ein Deckungsvorschlag unterbreitet werden musste.
Sinn dieser Regelung war natürlich, Fraktionen, die immer voller „guter“ Ideen für Geschenke an die Bürger_innen stecken, zur Berücksichtigung von Budgetschranken und zur Finanzverantwortlichkeit zu verpflichten. Beantragende Fraktionen wurden verpflichtet, 1. sich intensiv mit dem jeweils vorliegenden Haushaltsplanentwurf zu befassen und 2. anzugeben, wie die Mittel für beantragte kostenwirksame Projekte aufgebracht werden sollten (z.B. durch Einschränkung in anderen Bereichen, höhere Steuern oder höhere Verschuldung).
Diese Regelung ist leider im Laufe der Zeit vergessen worden, obwohl es dem Wittener städtischen Haushalt immer schlechter ging. Folge: Manche Fraktionen gerierten und gerieren sich so, als gebe es keine Budgetbeschränkungen, wenn es um von ihnen bevorzugten Projekte ging und geht. Für diese Fraktionen scheint der Wilhelm-Busch-Spruch zu gelten: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“.
Ein verantwortlicher Umgang mit den von den Steuerzahler_innen dem Rat anvertrauten Finanzmitteln ist das nicht. Deshalb würde ich – gerade angesichts der aktuellen extremen Haushaltskrise (siehe dazu mein Beitrag „Haushaltskrise pur: Eine instruktive und schonungslose Bilanz des Wittener Kämmerers„/28.12.20) – die umgehende Wiedereinführung der oben genannten Regelung vorschlagen, um Fraktionen und Ratsmitglieder zur Finanzverantwortlichkeit zu erziehen und die Neigung zu propagandistischen Anträgen zu disziplinieren.