KULTUR-RUF: Falscher „Feind“

Am 14.10.17 berichtet die WAZ („Wittens Kulturschaffende starten Hilferuf“) über ein Initiative „KULTUR-RUF“. Hier der Text des „KULTUR-RUFs“ im Original:

→ KULTUR-RUF: KULTUR – RUF 17.7.17

Was ist davon zu halten? Einige Anmerkungen seien mir gestattet:

1. Die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA)*– nicht „GemeindePrüfAnstalt“ – „fordert“ nicht, wie der „KULTUR-RUF“ suggeriert, sondern berät – mehr erst einmal nicht. Was mensch auch immer von den Ratschlägen im Einzelnen halten mag: Diese Einrichtung hat die Aufgabe, Kommunen mit extremen Finanzproblemen (Problemen bei der Haushaltskonsolidierung) bei der Konsolidierung durch Hinweise auf Risiken und Konsolidierungsmöglichkeiten zu unterstützen (Im GPA-Bericht finden sich keine Forderungen, sondern nur Feststellungen und Empfehlungen. Auch der problematische Hinweis auf die Musikschule ist eben nur ein exemplarischer Hinweis und keine Forderung → Auszug aus dem GPA-Bericht/Kulturforum: GPA Kulturforum).

Ob die Hinweise umgesetzt werden, darüber entscheidet nach wie vor der Rat allein – und natürlich indirekt die Kommunalaufsicht, die städtische Haushalte genehmigt oder nicht genehmigt. Die GPA „plant“ also keinen Kulturabbau – dazu hat sie gar nicht die Kompetenz. Ein Kulturabbau kann nur der Rat und das Kulturforum (Kufo) selbst planen und hat ihn im Rahmen des sog. „worst-case-Szenarios“ in den zurückliegenden Jahren schon massiv vollzogen – ich erinnere nur an die Ausdünnung der Wittener Stadtteilbüchereien.

Witten leidet unter extremen Finanzproblemen (Zu den Finanzproblemen siehe die vielen Beiträge zu Haushalt/Finanzen in diesem Blog). Witten ist seit 2010 überschuldet (Aufzehrung des Eigenkapitals) und nimmt seit 2011 pflichtig am Stärkungspakt teil. Das heißt: Witten bekommt seit 2011 jährlich einen Zuschuss von 7,2 Mio. Euro vom Land NRW mit der Auflage, bis 2016 einen Haushaltsausgleich mit Einrechnung des Zuschusses und bis 2021 ohne Zuschuss zu erreichen. Ab 2016 gehen die Zuschüsse jährlich zurück. Der aktuelle Zuschuss beträgt rd. 5,6 Mio. Euro. Zielpunkt des Stärkungspakts ist der in der Gemeindeordnung vorgeschriebene Haushaltsausgleich (§ 75 Gemeindeordnung NRW) und der damit verbundene Stopp des Schuldenanstiegs. Witten hat mit Mühe und Not den Haushaltsausgleich 2016 erreicht. Diese Mühe und Not wird mit Sicherheit auch noch die Haushaltsentwicklung der nächsten Jahre prägen.

2. Vor diesem Hintergrund muss die Verminderung des kommunalen Zuschusses für das KuFo (von ca 6 Mio./2012 auf geplant 5,3 Mio. Euro in 2018) gesehen werden. Das KuFo ist finanziell gesehen keine Insel der Seeligen.

Die AöR (Anstalt öffentlichen Rechts) Kulturforum wird fast vollständig aus dem Kernhaushalt der Stadt finanziert. Die im Laufe der Jahre eingesparten Gelder beim KuFo bedeuteten also eine entsprechende Entlastung des Kernhaushalts und damit einen Beitrag zur Haushaltkonsolidierung, zum angestebten Haushaltsausgleich und zur damit verbundenen Haushaltsgenehmigung. Bei allem Klagen des Kufo – auf hohem Niveau – über Einschränkungen war übrigens nicht nur das Kufo Opfer der Finanzkrise der Stadt, sondern auch die Kernverwaltung z.B. bei diversen Einschränkungen von Dienstleistungen und aufgeschobenen Infrastrukturausgaben.

3. Warum der Hinweis auf diese Zusammenhänge? Weil sie im „KULTUR-RUF“ schlicht übergangen werden. Das macht den ganzen Ansatz des „KULTUR-RUFs“ zahnlos. Die finanzpolitische Prosa jenseits allen Kulturgedönes und -getöses läuft schlicht darauf hinaus, dass alle finanziellen Forderungen des „KULTUR-RUFs“, die Mehrausgaben beinhalten, Auswirkungen auf den Kernhaushalt haben würden. Sie müssten im Kernhaushalt kompensiert werden, wenn die Konsolidierung nicht gefährdet und eine Nichtgenehmigung des Haushalts – die dem Kufo mit Sicherheit nicht hilft – nicht provoziert werden soll. Dazu findet sich nicht der Hauch eines Vorschlags im „KULTUR-RUF“. Insofern läuft die Initiative ins Leere und erweckt den Eindruck eines blauäugigen und bornierten Fachlobbyismus.

Wo soll denn die Kompensation für „den Ausgleich für Inflationsrate und Tariferhöhungen“ und für „eine stabile und ausreichende Finanzierung des Kulturforums mit etwa 6 Mio. Euro ab 2018“ (heißt + ca. 700.000 Euro) erfolgen? Sollen Einsparungen bei den Sozialausgaben, den Ausgaben für Schulen oder z.B. dem Straßenbau vorgenommen werden? Oder sollen zur Finanzierung des KuFo Steuerhöhungen vorgenommen werden? Wenn ja, dann sollte der „KULTUR-RUF“ die Karten offen auf den Tisch legen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass diese Konsequenzen gewollt sind. Nur: Bei der Formulierung von Forderungen ist Nachdenken über die Rahmenbedingungen und die möglichen Konsequenzen von Forderungen nicht das Schlechteste. Also Butter bei die Fische. Wo soll das Geld herkommen? Und bitte keine Millionärssteuer!

4. Genau genommen zielt der „KULTUR-RUF“ aber noch aus einem anderen Grund in die falsche Richtung (Die GPA ist der falsche „Feind“). Sowohl der „Ausgleich für Inflationsrate und Tariferhöhungen“ wie auch die „etwa 6 Mio. Euro ab 2018“ zielen auf den Kernhaushalt und müssen damit eigentlich Gegenstand der anstehenden Haushaltsplanberatungen sein**. Heißt: Entschieden werden könnten die Forderungen nur über einen Haushaltsantrag. Der Initiator des „KULTUR-RUFs“ (WAZ: Harald Kahl) ist mittlerweile Ratsmitglied, er könnte und müsste also einen derartigen Antrag formulieren und stellen. Ich bin gespannt – und ich bin besonders gespannt auf die Begründung des Antrags im Rahmen des gesamten Haushaltszusammenhangs.

*Das Aufgaben- und Tätigkeitsprofil ist für jeden leicht unter „www.gpanrw.de“ einsehbar.

**Die Erhöhung der Finanzierung der Freien Szene ist interne Angelegenheit des KuFo, und der wünschenswerte Stopp weiterer Zuschussreduzierung wird von der Haushaltsentwicklung der Stadt Witten und der Entwicklung der kommunalen Finanzierung durch Land und Bund abhängig sein.