Rätselhaft
Auf der nächsten Ratssitzung am 4.7.16 (Rat_20160704_Einladung) werden Teile der „Liste der Grausamkeiten“ aus Juni 2015 (s.u.; FZK, Spielflächen, KiTa/OGS-Beitragssatzung, Halle BW Annen und LSB haben sich mittlerweile erledigt) unter TOP 2 „Haushaltssanierungsplan 2016/Kompensationsmöglichkeiten für Steuererhöhungen“ wieder auf der Tagesordnung stehen. Das Vorgehen ist – gelinde gesagt – ungewöhnlich. Denn ursprünglich sollte im Vorfeld eines Beschlusses über Steuererhöhungen im Haushalt 2016 über Kompensationsmöglichkeiten zur Verminderung oder gar Verhinderung von Steuererhöhungen beraten und beschlossen werden.
Die Mehrheit des Rates hat sich allerdings dafür entschieden, die Steuererhöhungen ohne vorhergehende Beratung und Beschlussfassung über Kompensationsmöglichkeiten zu beschließen. Die Frage drängt sich dann auf, was jetzt noch kompensiert werden soll, denn die Durchsetzung von „Grausamkeiten“ (getarnt unter dem harmlosen Titel „Sparmaßnahmen“) sollte für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker schließlich in der jeweils aktuellen Haushaltslage begründet und kein Selbstzweck sein. Und zurück genommen werden können die beschlossenen Steuererhöhungen nicht mehr. Sie sind Grundlage einer ersehnten und noch nicht erteilten Genehmigung des Haushalts 2016.
Was soll das Ganze also? Handelt es sich um vorbereitende „Grausamkeiten“ für den Haushalt 2017? Aber worauf beziehen sich dann die möglichen Kompensationen, wo doch noch kein Haushaltsplanentwurf für 2017 (die Verwaltung bevorzugt sogar einen Doppelhaushalt 2017/18) und damit keine Zahlen (einschließlich möglichem neuen Defizit) als Bezugspunkt vorliegen? Mir zumindest ist das Vorgehen rätselhaft.
Bleibt zu den alten Zahlen anzumerken, dass die Sparkasse mittlerweile weich geklopft worden ist und für 2016 250.000 € (ursprünglich sollten es 2 Mio. sein) zur Sanierung des Haushalts beitragen wird (Für den nächsten Haushalt wird dann neu verhandelt). Der unten erwähnte „best case“ würde also statt 2,2 Mio. € 2,45 Mio. € ergeben. Das dürfte den Kohl auch nicht fett machen.
Hier meine alte Analyse:
„Kuh vom Eis?„/29.2.16
Am 29.2.16 berichtet die WAZ im Artikel „Kämmerer legt neue Zahlen vor“, dass die sog. „Liste der Grausamkeiten nicht die entscheidenden Einsparungen bringen dürfte. Sehen wir uns die Sache genauer an.
→ sog. „Liste der Grausamkeiten“ aus Juni 2015 Kompensationsmöglichkeiten für Steuererhöhungen Stand Juni 2015
Das Gesamtvolumen der Kompensationsmöglichkeiten liegt nach dieser Liste – alle Vorschläge zusammen genommen – bei ca. 9,6 Mio. €.. Davon fallen allein auf das KuFo 6,4 Mio. €. Verbleiben für weitere Kompensationsmöglichkeiten ca. 3,2 Mio. €.
Das hört sich relativ beachtlich an. Die Frage ist nur: Sind diese Zahlen tragfähig? Und was bleibt nach genauerer Analyse?
Fangen wir mit dem Hauptposten KuFo an. Da ist schon rätselhaft, wie die Summe von 6,4 Mio. zustande kommt, denn der im Wirtschaftsplan 2016 des KuFo ausgewiesene Zuschuss der Stadt beträgt nur 5.758.366 Mio..
Sind die nun eine echtes Kompensationspotential? Was würde bei einer „Einsparung“ des Zuschusses passieren?
Eine Streichung des Zuschusses würde die sofortige Insolvenz der AöR KuFo nach sich ziehen,
da diese praktisch keine kostendeckenden Einnahmen erzielt.
Folge:
– Notwendige Abwicklung der AöR KuFo
Damit würden aber nicht alle Kosten aus der Liquidationsmasse des KuFo für den Kernhaushalt der Stadt wegfallen:
– Das Personal des KuFo müsste in den Kernhaushalt übernommen werden (Verpflichtung zur Rückübernahme). Da die Gesamtpersonalkosten des KuFo (Quelle: Wirtschaftplan 2016) sich auf 4.130.942 Mio. € belaufen*, würden die Personalkosten des Kernhaushalts um diesen Betrag steigen. In dieser Hinsicht würde also nichts eingespart/kompensiert.
– Der Immobilienbestand würde an die Stadt zurück fallen. Damit würden weiterhin an laufenden Kosten anfallen:
*Gebäudeunterhaltung, da ein Verkauf und eine anderweitige Nutzung in überschaubarem Zeitraum wegen der spezifischen baulichen Infrastruktur der Gebäude kaum möglich sein wird
*Kredite des KuFo (Tilgungen und Zinsen)
Um diese Kosten müsste das Kompensationspotential des KuFo also vermindert werden. Zurück bleiben würde höchstens (nur Personalkosten berücksichtigt, Gebädeunterhaltung und Kredite nicht berechnet) die erheblich überschaubarere Summe von 1.627.424 Mio. €.
Allerdings wären mit mit dieser „Kompensation“ alle kulturellen Dienstleistungen der Stadt weggefallen!
Ich halte fest: Das ursprüngliche Kompensationspotential von 6,4 Mio. € ist bei Abwicklung des KuFo unter Berücksichtigung der realen Einsparmöglichkeiten auf rd. 1.6 Mio. € zusammen geschrumpft.
Und wie sieht es mit den weiteren in der „Liste der Grausamkeiten“ aufgelisteten „Kompensationsmöglichkeiten“ aus?
Zu den problematischen Ansätzen zählen aus meiner Sicht:
– Verkauf FEZ/FEG: 2 Mio. € sind angesetzt, allerdings nur als Einmaleinnahme
– Stadtmarketing: 245.000 € sind angesetzt. Mit welchen Auswirkungen auf die Effizienz des Stadtmarketing?
– Verkauf von Spielplätzen: 400.000 € sind angesetzt. Allerdings ist die Verminderung der Wohnumfeldqualität zu berücksichtigen.
– Beschlüsse Stadtwerke: Auf diese hat die Stadt keine unmittelbaren Zugriff.
Bei diesen problematischen Ansätzen dürfte eine Umsetzung kaum möglich sein.
Verbleiben einige aus meiner Sicht auch nicht wünschenswerte Kompensationsmöglichkeiten (z.B. schmerzhafte Einschnitte beim Sport) in Höhe von ca. 576.000 €.
Mit dem KuFo zusammen ergibt das rein zahlenmäßig ein reales Kompensationspotential von nicht 9,6 Mio. €, sondern von bescheidenen ca. 2,2 Mio. € (auch das als zahlenmäßiger „best case“!).
Das mit dieser Summe keine Kompensation der geplanten Steuerhöhungen bei der gegebenen Höhe des Defizits (aller Wahrscheinlichkeit nach ca. 8 Mio. €) möglich ist, dürfte auf der Hand liegen.
Insofern bin ich auf die neuen Zahlen des Kämmerers gespannt. Die vorliegenden jedenfalls sind keine tragfähige Grundlage für politische Entscheidungen. Das scheinen „mehrere Parteien“ (WAZ) erkannt zu haben.