„Experte“ nicht im Film
In dem WAZ-Artikel „Gewerbegebiete in Witten knapper denn je“/14.6.16 (WAZ Gewerbegebiete in Witten) sieht Herr Rasmus C. Beck (Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr) die Ursache für wirtschaftlichen Stillstand in Witten im Mangel an Gewerbeflächen. Skurril ist nur, dass dieser „Experte“, der angibt, in Witten zu wohnen, offensichtlich nicht in der Lage ist, konkrete Situationen vor Ort richtig einzuschätzen. Sonst hätte er eigentlich wissen müssen, dass sein Beispiel – die Draco-Ansiedlung in Annen – schlicht falsch ist. Dass sich Draco (Dr. Ausbüttel & Co.) nicht an der Herdecker Strasse angsiedelt hat (wo die Stadt bekanntlich mit viel Vorleistung eine ursprünglich von Draco gewünschte Gewerbefläche bereit gestellt hatte), hat offensichtlich nichts mit dem Fehlen einer Gewerbefläche zu tun, sondern mit undurchsichtigen Strategien und Kalkulationen des Unternehmens.
So ist das eben, wenn Unternehmen in der Lage sind, Standorte und Städte auf Kosten der Allgemeinheit (möglichst niedrige Grundstückpreise und Mitnahme von Subventionen, Externalisierung schädlicher externer Effekte) gegeneinander auszuspielen. Dagegen würde keine Bereitstellung von Gewebeflächen – bei der gegenwärtigen Flächenknappheit mit allen nachteiligen Folgen für Umwelt und Landschaft – etwas helfen, sondern nur eine echte interkommunale Kooperation der Kommunen mit einer gerechten Verteilung der Vorteile (Einnahmen) und der Nachteile (Kosten). Dem steht leider entgegen, dass die Städte und Gemeinden noch auf eigene Rechnung und häufig gegeneinander arbeiten. Draco (Dr. Ausbüttel & Co.) ist das beste Beispiel, denn dieses Unternehmen hat – wie mensch hört – nach Witten auch schon versucht, Hagen abzuzocken und versucht es gegenwärtig mit Dortmund.
Grundsätzlich: Flächen lassen sich nicht beliebig vermehren*. Wenn über die Jahre ein Gewerbegebiet nach dem anderen vollläuft, werden irgend einmal absolute Grenzen erreicht. Deshalb: Die Wittener müssen nicht Farbe bekennen, sondern die Stadt und vor allem die Landes- und die Regionalpolitik (Regionalentwicklungsplanung) müssen dieses schlichte Faktum endlich einmal akzeptieren und im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung wirksame Gegenstrategien – z.B. ein Aufbrechen des kommunalen Egoismus (s.o. interkommunale Kooperation) – auf den Weg bringen, statt sich von einzelbetrieblichen Renditekalkülen vorführen zu lassen. Denn Letzteres würde den Flächenmangel auf kurze Sicht mit immer höheren Allgemeinkosten nur vergrößern. Wie war das noch? „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geliehen“ (altes Plakat der Grünen). Der Satz ist heute angesichts des Klimawandels und immer knapper werden Ressourcen – auch Flächenressourcen – wichtiger denn je.
*Ergänzung 27.6.16: Beliebig nicht, aber in Grenzen schon. Eine absolute Grenze für Flächen gilt eigentlich nur für die originäre Erdoberläche (und das aus dieser ausgeschnittene Stadtgebiet). Zur Überwindung dieser Grenze haben die klugen Menschen die Höhe entdeckt. Wohn-, Bürohäuser und Bauwerke mit anderen Nutzungen vermehren ihre Fläche in der Hauptsache durch Höhe, sprich Stockwerke. Mensch stelle sich nur die Ruhruniversität als ebenerdigen Flachbau vor! Von der Flächennutzung her eine Katastrophe.
Und da sich tatsächlich bei der Gewerbeansiedlung eine absolute Grenze im extrem verdichteten Raum des Ruhrgebiets abzeichnet, wenn der Nutzungsstil so extensiv wie bisher weiter praktiziert wird – siehe z.B. Wullener Feld -, wird wohl wie bei anderen baulichen Nutzungen auf intelligentere und flächensparendere architektonische Lösungen auch für Gewerbe umgeschaltet werden müssen. Je schneller, desto besser, um Schäden für die Umwelt zu vermeiden. Die aus einzelbetrieblicher Sicht kostengünstigste Lösung ist eben nicht unbedingt auch die für die Allgemeinheit kostengünstigste.
Dem steht allerdings bisher entgegen, dass Unternehmen ihre erworbenen Flächen zur Verbesserung ihrer Kreditwürdigkeit (als Vermögensssicherheit) nutzen. Aber auch für dieses Problem sollten Lösungen gefunden werden können.