Corona: Städtischer Haushalt – keine schönen Aussichten!
Aktuelle Ergänzung 8.4.20: Hier ein Rundschreiben des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW zu „Kommunales Haushaltsrecht: Isolation der corona-bedingten Schäden im kommunalen Haushalt“ vom 6.4.20: 2020-04-06 MHKBG-6 Komm Haushaltsrecht. Ich bin gespannt, was dabei für den Wittener städtischen Haushalt herauskommt. Mehr als die bescheidenen 3 Mio.* (siehe unten: Zusage des Landes)? Jetzt ist der Kämmerer am Zug.
In einem WAZ-Artikel vom 5.4.20 (WAZ-Online: Corona kann Stadt Witten bis zu 50 Millionen Euro kosten) wird lobenswerterweise über wahrscheinliche Auswirkungen der Corona-Krise auf den Wittener städtischen Haushalt berichtet. Der Kämmerer kommt zu Wort.
Um die möglichen Dimensionen einer Verschärfung der Wittener Haushaltskrise durch Corona zu verdeutlichen, ist es instruktiv, nicht nur die absoluten Summen wie im WAZ-Artikel darzustellen, sondern diese im Vergleich zu den bisherigen Plandaten.
Im Vorbericht des Haushaltsplans 2019/20 werden im Ergebnisplan für das Jahr 2020 folgende Summen ausgewiesen: Erträge ca. 303 Mio. €, Aufwendungen ca. 298 Mio. €. Das hätte ein Plus von ca. 5 Mio. € ergeben. In Abweichung von diesen alten Plandaten nimmt der Kämmerer in seinen Corona-bezogenen Szenarien (WAZ-Artikel) einen Best-Case von minus 25 Mio. € und einen Worst-Case von minus 50 Mio. € an.
Das würde im Best-Case ein Defizit des städtischen Haushalts in 2020 von 25 Mio. € (nur 278 Mio. € Einnahmen gegenüber 298 Mio. € Aufwendungen) und im Worst-Case eines von 50 Mio. € (nur 253 € Einnahmen gegenüber 298 € Aufwendungen) ergeben. Dass angesichts solcher Defizite die laut Kämmerer vom Land zugesagten zusätzlichen 3 Mio. € nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein sind, dürfte klar sein. Es dürfte auch klar sein, dass – wie der Kämmerer richtigerweise anmerkt – genehmigungsfähige Haushalte bei solchen Defiziten in weite Ferne rücken würden.
Die Einschätzung des Kämmerers beruht auf Modellrechnungen eines durch die Grünen in Auftrag gegebenen Kurzgutachtens „Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kommunalfinanzen in NRW“ des ehemaligen Bochumer Kämmerers Dr. Manfred Busch vom 2.4.2020. Hier das Gutachten: Busch_Kurzgutachten_Corona-Auswirkungen_02-04-2020_final.
Auswege?
Die Übernahme der Unterkunftskosten, Flüchtlingsfinanzierung, der zeitliche Aufschub bei Rechtsansprüchen für Kita/OGS und – nebulös – die Fortsetzung investiver Förderprogramme, wie der Kämmerer fordert? Das dürfte angesichts der Dimensionen zu erwartender Defizite auf Peanuts hinauslaufen und vollkommen unzureichend sein.
Was bleibt?
Die vom Land laut Kämmerer zugesagte Möglichkeit, die fehlende Mio. aus dem Haushalt auszulagern? Die wird zu Recht von den Grünen (Dr. Busch) als buchungstechnischer Trick wegen der damit verbundenen massiven Neuverschuldung kritisiert (Siehe dazu das Busch-Gutachten S. 8, „Ein Weg bestünde darin, …).
Und wie sieht es mit einem vom Land finanzierter Rettungsschirm für die Kommunen aus, wie Dr. Busch ihn vorschlägt?
Dazu zwei Anmerkungen:
– Wenn der Rettungsschirm durch das Land finanziert werden soll, führt das natürlich zu einer Neuverschuldung des Landes, weil das Land mit Sicherheit auch erhebliche Einnahmeausfälle zu verkraften hat. Ob das wünschenswert ist, wage ich zu bezweifeln.
– Bund und Land haben bisher gegenüber der Privatwirtschaft gehandelt, weil es im Shut-down um des schlichte Überleben ging und geht. Es sei daran erinnert, dass der Staat Huckepack (heißt: aus Abzügen – Steuern, Tilgungsraten für Schulden – von der privatwirtschaftlichen Leistung) finanziert wird: Die privatwirtschaftliche Leistung ist die Voraussetzung seiner Finanzierung. Diese Relation lässt sich nicht umkehren, und Keynes* hat das nicht anders gesehen.
Wenn jetzt durch eine erhebliche staatliche Verschuldung** Rettungsschirme gefahren werden, ist das der verzweifelte Versuch, die ökonomische Basis durch direkte Unterstützung ohne erhebliche Verluste und Verzögerungen wieder in Gang zu bringen (in der Hoffnung auf ein Wiederanspringen der Wirtschaft nach dem Shut-down). Indirekte Konjunkturankurbelung durch öffentliche kommunale Investitionen*** dürfte bei der Schwere und Qualität der zu erwartenden Krise als Krisenlösung kaum weiter führen, vor allem, weil der geforderte kommunale Rettungsschirm ja in erster Linie Einnahmeverluste ausgleichen würde.
Mein Fazit: Alles deutet darauf hin, dass sich die Haushaltskrise der Stadt angesichts von Corona erheblich verschärfen wird. Wie schreibt Dr. Busch (S. 9): „….; gibt es keinen Ausgleich für Steuerausfälle und zunehmende Soziallasten, werden die meisten Kommunen früher oder später finanziell auf die Bremse treten müssen, also fiskalisch kontraktiv und nicht wie gewünscht expansiv agieren.“
Der Ausgleich ist aus meiner Sicht aus oben genannten Gründen (massive Neuschuldenbelastung von Bund und Land) nicht zu erwarten. Deshalb wird vor dem Hintergrund der eh schon prekären Haushaltslage die Stadt Witten eher früher auf die Bremse treten müssen. Dann wird wieder die Frage im Raum stehen, wer die Auswirkungen des Bremsens zu tragen hat. Kein schönen Aussichten.
*Die Keynesschen Rezepte zur Konjunkturankurbelung zielten auf eine Mobilisierung brachliegenden Kapitals des liquiditätsliebenden Rentiers. Dieser sollte durch „Euthanasie“ (Keynes sprach von „Euthanasie des Rentners“: Rentner = Rentier, Couponschneider) ausgeschaltet und dessen durch Besteuerung angeeignetes Geld vom Staat investitionsfördernd eingesetzt werden. In der Corona-Krise (Shut-down) liegt aber kein überschüssiges Kapital brach, sondern es ist schlimmstenfalls gar nicht mehr vorhanden.
**Hier die Summe der kürzlich beschlossenen Neuverschuldung des Bundes durch den Corona-Rettungsschirm: Neuverschuldung ca. 156 Mrd. €, Tilgung ab 2023 bis 2043 jährlich 5 Mrd. €.
***Investitionskredite machen z.B. in Witten nur einen geringen Teil des Gesamtkreditvolumens aus, der Hauptteil sind die Kassenkredite (Kreditvolumen am 31.12.2018: ca. 52 Mio. € Investitionskredite, ca. 325 Mio. € Kassenkredite).
*Die im Rundschreiben (S. 10/B/5) angesprochene Konsolidierungshilfe von rd. 343 Mio. € aus dem Stärkungspaktfonds würde bei gleicher Verteilung auf die 64 Stärkungspaktkommunen in NRW ca. 5,4 Mio. pro Kommune ausmachen. Allerdings dürfte der noch festzulegende Verteilungsschlüssel nicht auf eine Gleichverteilung hinauslaufen, weil die Kommunen unterschiedlich groß sind. Insofern liegt die Vermutung nahe, dass die im WAZ-Artikel angesprochenen 3 Mio. tatsächlich aus dem Stärkungspaktfonds stammen.