Chronologie einer Fehlentscheidung
Aus dem Bürgerkreis Herbede erreichte uns folgender Beitrag, der in Form einer Chronologie noch einmal die Vorgeschichte der Fehlentscheidung „Ansiedlung eines Vollsortimenters im Gerberviertel Herbede“ deutlich macht. Zu den genannten „weiteren“ gehört das bürgerforum übrigens nicht. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf unseren Beitrag „Herbeder Stadtteilzentrum – kaputt?“/April 2013.
Bürgerkreis Herbede e. V.
Juni 2013
Chronologie zur Verhinderung einer Fehlentwicklung im Gerberviertel oder ein Beispiel des zivilgesellschaftlichen Umgangs durch Stadtverw., Kapital und Politik (SPD, CDU, Grüne und weitere):
1996: In dem „gesamtstädt. Struktur- und Einzelhandeslgutachten für die Stadt Witten (GMA)“ wird im Band B3 das Zentrum Herbede- auf Grund der verkehrlichen Belastung- an der Wittener Str. abgegrenzt. Das heißt, Gerberviertel und ehem. Rathaus (bis ca. 2005/2008 durch Bücherei, Polizei, Bürgerbüro,.. genutzt) sind nicht als Zentrumsbereich definiert.
2002/03: Stadt Witten beabsichtigt Abriss der Gerberschule und Verkauf des Gerberviertels an Lidl
2003/04: Bürgerbegehren (Heimatverein) erfolgreich, Stadt zieht Verkauf zurück
2004-2006: unterschiedliche Nutzungen (jenseits von Einzelhandel) werden von den BürgerInnen im Rahmen der Stadtteilplanung benannt.
2007: im Rahmen des Masterplans Einzelhandel Witten wird das Gerberviertel in die Zentrumsabgrenzung einbezogen; Verwaltung beabsichtigt Verkauf an LM-Vollversorger
2007, 13. Nov.: Protestaktion Herbeder BürgerInnen und Geschäftsleute (sogen. “Schwarzer Donnerstag”)
2008, Febr.: Rat beschließt Masterplan Einzelhandel Witten und zu Herbede ein Moratorium: Das Gerberviertel wird erst dann für einen LM-Vollversorger entwickelt, wenn die derzeitige Verkaufsfläche von Su. 1.800 qm für die Dauer eines ½ Jahres auf unter 1. 200 qm fällt.
2009/10: gepl. Erweiterung des ‘Plus-Marktes’ scheitert, Plus-Markt wird durch Netto ersetzt.
2010, Mai: Gerücht über Aufhebung des Moratoriums und Verlagerung des Edeka-Marktes ins Gerberviertel nach der Landtagswahl
2010, Sept.: Bürgerkreis erstellt Broschüre: “Potenzialflächen im Kern” und verteilt diese an Planer, Eigentümer, Betreiber, Verwaltung, Politik, IHK und EHV
2010, Dez.: Rathaus ist zum Medizinzentrum umgebaut und eröffnet.
2010, Dez. : EHV vergibt mit Unterstützung von IHK und Verw. Gutachten an Stadt+Handel zur Bewertung des Zentrums Herbede
2011: div. Eigentümer, Betreiber und Planer nehmen Kontakt auf, um Innenentwicklung anzugehen (insbes. Netto)
2011, Febr./März: privates Grundstück innerhalb des Gerberviertels wird an Immobilienges. verkauft, Arch.-Büro Bieber beginnt Kampagne pro Gerberviertel
2011, März: öffentliche Veranstaltung der CDU-Fraktion u.a. zur Zentrumsentwicklung. CDU-Vertreter spricht sich für Weiterbestand des Moratoriums aus, IHK und EHV fordern zunächst die Vorlage der v. g. Gutachtachten- Ergebnisse ein.
2011, April: Bürgerkreis diskutiert mit den Fraktionen des Rates die Vergabe einer Machbarkeitsstudie für einzelhandelsfremde Nutzungen im Gerberviertel; die hierauf gestellten politischen Anträge (u. a. SPD mit dem Vorschlag eines Verkaufs unter “marktwirtschaftlichen” Aspekten) werden in den Gremien zurückgestellt, da die Ergebnisse des Gutachtens noch nicht vorlägen
2011, Aug.: SPD führt eigene Befragung bezüglich des Einkaufsverhaltens und zur Meinung bzgl. Ansiedlung eines LM-Vollversorgers im Gerberviertel durch (angeblich überwiegend positiv); auch CDU- Ortsteil Herbede unterstützt diese Ergebnisse
2011, Aug.: BM fordert Werbegem. Herbede auf, ein Votum zum Gerberv. abzugeben (erfolgt nur teilweise)
2011, Sept.: Stadt+Handel müssen Ergebnisse des Gutachtens in nicht-öffentlicher Sitzung, vor ausgewählten Teilnehmern und außerhalb von Herbede vorstellen. Ergebnisse: die Herbeder sind “standorttreu”, das Zentrum ist vital, Weiterentwicklung wird empfohlen, Ansiedlungen außerhalb wären kontraproduktiv; Ergebnisse erscheinen dennoch in der Presse; Parteien CDU und SPD bezweifeln die Richtigkeit der Ergebnisse
2011, Okt.: auf Initiative und Finanzierung von Bürgerkreis und Heimatverein stellt der Gutachter die Ergebnisse im Zentrum (Markus-Zentrum) öffentlich vor, ca. 60 Teilnehmer; Ergebnis: Gründung eines AK zur Weiterentwicklung des Zentrums
2011, Nov.: Edeka kündigt Aufgabe des Standortes im Zentrum (Meesmannstr.) und Ersatz dieser Fläche durch die Fa. Rossmann an; Moratorium sei damit erfüllt und der Weg ins Gerberviertel frei
2011, Dez.: Werbegem. Vorsitzender (zugleich Leiter des Edeka-Marktes) und Stellvertreter führen eine Pressekampagne pro Gerberviertel im Herbeder und Image durch
2011, Dez. : Die Angebotsituation der drei Lebensmittelmärkte ist weiterhin stabil
2011/2012: mehr als 50 Einzelhändler, Dienstleister und Eigentümer haben sich zwischenzeitlich gegen eine Fehlentwicklung im Gerberviertel ausgesprochen (liegt der Verwaltung und den Fraktionen des Rates vor)
2012, Jan.: Edeka teilt der Stadt mit, dass vom Optionsrecht (Verlängerung des Mietvertrages) Gebrauch gemacht wurde, zeitgleich Antrag der SPD-Fraktion zur Aufhebung des Moratoriums und Einleitung entsprechender Planverfahren
2012, Febr.: Verwaltung beantwortet Anfrage der WBG bzgl. Ausübung des Vorkaufsrechts zum privaten Grundstück Gerberv. abschlägig
2012, März: Rat der Stadt beschließt Prüfauftrag an Verwaltung zur Aufhebung des Moratoriums und Entwicklung des Gerberviertels.
2012, April-Juni: Durchführung des Bürgerbegehrens, Ergebnis negativ, ca. 2.000 Unterschriften von erforderlichen, 5.000
2012, September/ Oktober: Moratorium wird durch den Rat aufgehoben, Einleitungsbeschluss zum B-Plan Gerberviertel mit Ausschluss weiterer zentrenschädlicher Betriebe; Ausschreibung des städt. Grundstücks
2013, Januar: Kaufvereinbarung zwischen den Eigentümern bzgl. Neubau Netto (zukünftige Verkaufsfl.: ca. 1.000 qm wird der Stadt vorgelegt, Planungsbüro Planquadrat erhält auftrag zur Planaufstellung
2013, März: Ausschreibungsergebnis wird in der gemeinsamen Sitzung des AfSuU und AfAuStadtm. vorgestellt. Ergebnis: Verwaltung wird mit Nachverhandlung beauftragt, zu Kaufpreis, Gestaltung, Flächengröße; Ergebnisse sollen den Gremien vor der Sommerpause vorgestellt werden.
2013, Juni: Edeka noch nicht geschlossen, Vorlage zu Netto noch nicht erfolgt, Gerücht: Aldi will bestehenden Standort optimieren
Im Kontakt zwischen Bürgerkreis, Betreibern, Eigentümern und IHK wird deutlich:
v Das Moratorium ist nicht nur eine Vereinbarung zwischen den Fraktionen desRates, sondern auch (zumindestens moralisch) eine Vereinbarung mit den Akteuren “vor Ort”
v Nach den Regelungen des Moratoriums könnte eine Entwicklung im Gerberviertel frühestens im Sommer 2013 angegangen werden (1/2-Jahr Leerstand nachUnterschreitung des Grenzwertes von 1.200 qm), Edeka kündigt bisher lediglich an
v Neubau bestehender Standorte (Netto, ggf. Aldi) werden angegangen; jetzt droht keine Unter- sondern eine Überversorgung, dies auch vor dem Hintergrund stärkerer Schrumpfung
v die IHK hat sich u. a. gegen eine zentrumsschädigende Einzelhandels-entwicklung im Gerberviertel ausgesprochen, das Moratorium sei einzuhalten
v Für das Gerberviertel wurden Alternativnutzungen benannt