Robert Habeck (Bundesvorsitzender Grüne) interpretiert das Wahlergebnis in Bayern so, dass der Wählerauftrag laute „Nicht weiter so“ und „Verändert die Politik“. Ist das bei genauerem Hinsehen der Wählerauftrag? Wohl kaum.
Es ist leider eine Eigenschaft der Grünen, bei guten Wahlergebnissen ins Café Größenwahn abzugleiten. Ein Fernsehinterviewer schätzte den grünen Wahlerfolg als Pyrrhus-Sieg ein. Damit dürfte er Recht haben, weil nach Verzwergung der SPD und nach allem, was sich abzeichnet, die Grünen in Bayern nach Absage einer Koalition von Seiten der CSU nicht an die Landesregierung kommen werden und folglich in der nächsten Legislaturperiode – bezogen auf ihr Kernprofil – die einzige relevante Opposition im Landtag spielen müssen, so gern sie auch regiert hätten.
Aber zurück zu dem Wählerauftrag. Die Wanderungsbewegungen von der CSU weg ergeben folgende Zahlen: 180.000 sind zu den Grünen gewandert, aber auch 180.000 zu den Freien Wählern und 180.000 zur AFD, während die CSU 200.000 Nichtwähler mobilisieren konnte. Das heißt, dass die meisten Wähler zu konkurrierenden politischen Parteien innerhalb des sog. konservativen Lagers (Freie Wähler, AFD) abgewandert sind. Grund: Bezogen auf das Parteienspektrum dürfte die programmatische Wahlverwandtschaft zwischen den Kernprofilen der CSU, der Freien Wähler, aber auch der AFD relativ groß sein, die zwischen den Kernprofilen der CSU und der Grünen relativ klein. In Prozenten: 37,2% CSU, 11,6% Freie Wähler, 10,2% AFD (= 59%) gegen 17,5% Grüne, 9,7% SPD, 3,2% Linke (30,4%).
Und da die SPD sich in Bayern verzwergt hat, ist das Ergebnis eine Stärkung des sog. konservativen Lagers bei interner Umgruppierung der Stimmen (vor allem durch die AFD) – und nicht ein Wählerauftrag zum „Nicht weiter so“ und „Verändert die Politik“ im Sinne der Grünen, wie Robert Habeck meint. Da war wohl bei ihm der Wunsch der Vater der Analyse.
In der ZDF-Mediathek fiel mir folgender 2minütiger Beitrag (30.7.18) auf:
→ ZDF-Mediathek/Rubrik: Die Hitze und ihre Folgen/Beitrag: Hitzestau in den Städten.
In dem Beitrag kommt die Essener Baudezernentin Simone Raskob zu Wort und erläutert ihr Programm u.a. der Stadtbegrünung, Schaffung von Frischluftschneisen und Baumpflanzungen. Derartige konsequente Schwerpunktsetzungen in der Stadtentwicklung und -planung scheinen also möglich zu sein, wenn sie von Verwaltung und Politik gewollt sind. Daraus könnten und sollten andere Städte – insbesondere auch Witten – bezüglich des Umgangs mit Frischluftschneisen (Beispiel: Stockum), grünen Inseln (Beispiel: Karl-Marx-Platz), Baumpflanzungen (Beispiel: Nordstraße) etc. lernen.
Zitat aus WAZ 23.7.18: „Grünes soll Städte in NRW in der Hitze des Sommers abkühlen“:
„Dabei konkurrieren aber Umwelt- mit Wirtschaftsinteressen: In nahezu jeder Revier-Stadt beklagen Unternehmen eine Gewerbeflächennot. Beim ersten Gipfeltreffen der Industrie- und Handelskammern mit dieser Redaktion warnten die Verantwortlichen, die derzeitigen Reserven reichten nur noch für rund elf Jahre. Das NRW-Umweltministerium hat die Sorge aufgenommen: Um dem Bedarf gerecht zu werden, wird derzeit eine Art Zertifikatehandel für Flächen geprüft. Städte, die ein bestimmtes Kontingent überschreiten, könnten anderswo Areale zukaufen. Das sei ein mögliches Instrument, um den Flächenverbrauch zu reduzieren, hieß es dazu aus dem Ministerium. In NRW liegt dieser bei täglich rund 20 Fußballfeldern.“
Siehe zur sog. Gewerbeflächennot mein Beitrag „Zerstörung der regionalen Grünzüge in Stockum und Heven: Kein Problem?“/20.11.14.
Zitat aus WAZ/23.7.18: „Grünes soll Städte in NRW in der Hitze des Sommers abkühlen“:
„Meteorologen veröffentlichen für diese Woche eine Hitzewarnung für das Ruhrgebiet. Stadtplaner und Klimaexperten werben für Renaturierungen
Mit Rekordtemperaturen von über 36 Grad gerät das Ruhrgebiet in dieser Woche ins Schwitzen: Den Revierbürgern stehen in diesem besonders trockenen Sommer nun die bisher heißesten Tage des Jahres ins Haus.
Um in den Städten angesichts solch extremer Witterungen langfristig für Abkühlung zu sorgen, mahnen Klimaexperten und Raumplaner zum konsequenten Erhalt von Grünflächen und Frischluftschneisen. „Je geringer der Anteil von Grün und Wasser in einem Gebiet, umso mehr Wärme wird gespeichert“, zeigt Oscar Reutter vom renommierten Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie eine einfache Gleichung auf. Besonders zusammenhängende Grünflächen seien wichtig, um kühle Luft in die Innenstädte zu bringen.
‚Grün- und Wasserflächen wieder stärken‘
Das Ruhrgebiet gehört zu den am dichtesten besiedelten Regionen des Landes. Rund ein Viertel der Fläche Nordrhein-Westfalens ist bebaut, im Ruhrgebiet sind es knapp 40 Prozent. Wie aus dem Umweltbericht des Regionalverbandes Ruhr hervorgeht, sind allein in den Jahren 1997 bis 2007 Tag für Tag neue Siedlungs- und Verkehrsflächen mit einer Gesamtgröße von über zwei Hektar versiegelt worden.“
Diesen instruktiven Artikel fand ich im vorletzten Spiegel (2018, Nr. 29). Für Witten heißt das: Speziell die Innenstadt wird in den nächsten Jahren mit noch zunehmender Hitze und Hitzeinseln (u.a. mit den entsprechenden Gefahren für die Gesundheit) zu rechnen haben. Deshalb ist Vorsorge dringend nötig. Dazu gehören auch (mehr) Grün und Bäume in der Innenstadt, aber auch – s. Stockum – Frischluftschneisen und das Intakthalten regionaler Grünzüge.
→ Spiegel 2018, Nr. 29: Heißzeit Spiegel 2018 Nr. 29 Heißzeit
Aus der WAZ: „Der ‚1. Stockumer Stammtisch gegen die Bebauung des Vöckenbergs‘ trifft sich Dienstag, 24. Juli, 19 Uhr in den Räumen des Bürgerschützenvereins Stockum, Gerdesstr. 23, Kontakt: Tel. 0177 197 3367, protest@stockum.de.
Am 17.7.18 berichtet die WAZ: „RVR stellt Weichen für Gewerbegebiet in Stockum“:
→ WAZ 17.7.18: RVR stellt Weichen für Gewerbegebiet
Jetzt hat also der RVR (Regionalverband Ruhr) die Stockumer Flächen* (regionaler Grünzug) im Rahmen der Regionalplanung zum Abschuss frei gegeben (Zitat WAZ: „Rechtskräftig wird der Regionalplan Ruhrgebiet nicht vor Mitte 2020“, also in ca. 2 Jahren). So weit, so schlecht. Wie kann es nun weiter gehen, wenn der Abschuss noch verhindert werden soll?
Der Planungsdezernent des RVR Herr Tönnes** stellt richtigerweise fest, dass er nicht „einfach in die kommunale Planungshoheit eingreifen“ könne. „Vor einer späteren Umsetzung müsse die Stadt Witten ohnehin selbst ihren Flächennutzungsplan ändern und mit einem Bebauungsplan Baurecht schaffen.“ (Zitate WAZ).
Zur Änderung des Flächennutzungsplans und zu einem Bebauungsplan bedarf es einer Verwaltungsvorlage und einer Entscheidung des Rates (auch eines Ausschusses!). In einem ersten Schritt kann also vor Erstellung einer Verwaltungsvorlage diese durch Vorfeldwiderstand verhindert werden.
Sollte es zu einer Vorlage kommen, ginge es darum, diese durch eine entsprechende Mehrheit abzulehnen.
Wäre dies nicht erfolgreich, könnte das stärkste Mittel zu einer Verhinderung greifen: ein Bürgerbegehren/Bürgerentscheid. (mehr …)
Bei der ersten Flüchtlings- und Migrationswelle Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrtausends habe ich für mich den Begriff Archeprinzip geprägt. Was meinte das?
Wir alle kennen die Geschichte: Vor der Sintflut bekommt Noah den göttlichen Auftrag, eine Arche zu bauen. Er tut dies, nimmt jeweils ein Paar bestimmter Tiere auf und rettet damit sich selbst, die Gattung Mensch und andere Gattungen.
Diese Rettung ist nur deshalb erfolgreich, weil die Arche nicht zu klein und nicht zu groß ist und nur – der Größe angemessen – jeweils ein Paar der Tiere aufgenommen wird: Die Arche durfte nicht überlastet werden.
Die Rettung funktionierte also nur bei Berücksichtigung bestimmter Quantitäten (Kollateralschäden übrigens: Alle anderen sündigen Menschen und alle anderen Tiere sind in der Sintflut umgekommen. Bei genauerem Hinsehen also keine Herz erhebende Geschichte). Heute müsste mensch sagen: Noah war nur erfolgreich, weil er bestimmte Obergrenzen – um diesen perhorreszierten Terminus aufzugreifen – berücksichtigt hat.
Was hat diese Geschichte mit der jetzigen Flüchtlings- und Migrationsproblematik zu tun und was können wir aus der Noah-Geschichte lernen?
Wenn wir das Bild der Arche auf unserer Gesellschaft übertragen – sagen wir die Bundesrepublik Deutschland -, ist diese Arche nicht auf göttlichen Auftrag hin gebaut, und es geht auch nicht darum, die Welt zu retten. Erstens ist die Rettungsaufgabe begrenzter (Flucht und Migration), und zweitens können wir die Kapazität der Arche selbst bestimmen. (mehr …)
In einem Leserbrief in der WAZ vom 2. Juli 2018: „Beschämend“ schreibt Peter Wagner „Es ist schon beschämend, dass die Stadtverwaltung nach so vielen Monaten noch keine Antwort gegeben hat“. Die Bemerkung bezieht sich auf einen Artikel der WAZ vom 29.6.18 „Junge Union will Frühwarnsystem für Naturfreibad in Witten“
→ WAZ 29.6.18: Junge Union will Frühwarnsystem für N_
Abgesehen davon, dass Peter Wagner Recht hat, wenn er fragt: „Auf der anderen Seite frage ich mich, ob es für die CDU nicht viel dringender zu lösende Probleme als ein Naturfreibad gibt“, möchte ich einmal die Verwaltung in Schutz nehmen. Denn tatsächlich hat die Verwaltung zu der Angelegenheit schon längst Stellung genommen.
Vielleicht gibt es ja zwischen der CDU-Fraktion und der Jungen Union Kommunikationsprobleme, oder die Junge Union hat die Stellungnahme falsch interpretiert, jedenfalls liegt eine Stellungnahme der Verwaltung seit dem 26.1.18 vor. Aus meiner Sicht bedeutet die Stellungnahme das endgültige Aus für das Projekt. Ob leider oder nicht leider, darüber kann mensch streiten, ändert aber nichts an der Sache.
Hier die Stellungnahme: Mitteilung der Verwaltung, 26.01.2018
Zitat aus WAZ 3.7.18 „Wittener Politik diskutiert das Wohnen von morgen“: „Stadtbaurat Stefan Rommelfanger sagte, das Handlungskonzept Wohnen löse zwar „nicht alle Probleme dieser Stadt“. Er sprach aber von einem „Steinbruch guter Ideen“, einer Prognose für die nächsten 15 Jahre, die auch eine gute Grundlage für Investoren sei.Viele Flächen seien im Flächennutzungsplan von 2009 als Wohnbaufläche ausgewiesen. Nun gelte es, diese Areale zu aktivieren.“
Ich habe damals (2008) das Stadtentwicklungskonzept (STEK) „Unser Witten 2020“ als Grundlage des neuen Flächennutzungsplans (FNP) und natürlich auch den FNP 2009 abgelehnt. Hier mein Redebeitrag aus 2008:
Dazu zwei Anmerkungen:
– Das STEK hieß nicht umsonst „Unser Witten 2020“. Es war für einen Zeitraum bis 2020 gedacht. Mich irritiert immer der Zeithorizont solcher „vorausschauender“ Planungen. Wären die im FNP für Wohnen vorgesehenen Flächen in den vergangenen 10 Jahren vernutzt worden und würden der Rest noch bis 2020 vernutzt werden, hätten wir uns Prognosen bis 2030 – übrigens 12, nicht 15 Jahre – schenken können: Es wäre – abgesehen von den Kollateralschäden durch Versiegelung und Druck auf die Infrastruktur – nichts mehr übrig geblieben. Wirkliche vorausschauende Planung und Nachhaltigkeit scheint in dieser Stadt ein Fremdwort zu sein.
– Ich habe damals meine Rede als Vertreter der WBG gehalten. Wie das Schicksal so spielt: Von diesem Laden ist bis auf eine Minifraktion nichts mehr übrig geblieben: Der Verein hat bei den Wahlen 2009 rd. die Hälfte der Wählerstimmen verloren, bei den Wahlen 2014 – nach einer abenteuerlichen Exkursion als Schwanz des Schwanzes in einem „Regierungsbündnis“ (SPD; Grüne, WBG) mit Namen „Kooperation der Vernunft“ (Motto: „Wir halten Witten für die schönste Stadt des Ruhrgebiets“) – noch einmal die Hälfte. Woran das wohl liegt?
Ergänzung 26.6.18 III: WAZ 26.6.18: Gebührenskandal_ Kämmerer weist Vorwürfe zurück
Ergänzung 26.6.18 II: Zur Transparenz der bisherigen Fehleranalyse hier die Orgauntersuchung der Märkischen Revision, die dem Kreisauschuss des Ennepe-Ruhr-Kreises am 18.6.18 vorgelegen hat: Zwischenbericht_Kreisausschuss_Orgauntersuchung
Ergänzung 26.6.18: Aktuell liegt mir zu der Angelegenheit die Gastmitschrift über einen Zwischenbericht des Wittener Kämmerers im HFA (Haupt- und Finanzausschuss) vom 25.6.18 vor. Dass sich Witten an der Aufklärung beteiligt, ist doch wohl selbstverständlich. Schau’n wir mal, was bei der Aufklärung heraus kommt.*
Am 21.6.18 berichtet die WAZ über „Schwere Fehler beim Rettungsdienst“. Dem Kreis bleibe u.a. durch schludrige Arbeit der Wittener Abrechnungsstelle (Wittener Stadtverwaltung) auf einem Schaden von 5,9 Mio. Euro sitzen. „In Witten fehlte ein tiefes Verständnis für Buchhaltung. Hier sind handwerkliche Fehler begangen worden.“ (Herr Schäfer vor dem Kreisausschuss).
→ WAZ 21.6.18: Schwere Fehler bei der Abrechnung Schwere Fehler bei Abrechunung
Dem Kommentar von Herr Stefan Scherer kann ich mich voll und ganz anschließen:
→ Kommentar WAZ Stefan Scherer: Kommentar Scherer
Ergänzen möchte ich nur:
– Genau genommen beläuft sich der Schaden nicht allein auf 5,9 Mio. Euro. Diesem Schaden müssen eigentlich die Kosten der schludrigen Arbeit hinzu gerechnet werden.
– Der Landrat spricht von „unter Umständen denkbaren Schadenersatzansprüchen“. Mir ist unklar, gegen wen die angemeldet werden könnten.
– Schludrige Arbeit der Wittener Verwaltung ist kein Einzelfall. In der Wittener Verwaltung ist seit Jahr und Tag der Wurm drin. Diese Verwaltung hat es über mittlerweile Jahrzehnte verstanden, jeden Versuch einer Effizienzsteigerung abzuwehren. Ergebnis ist eine undurchsichtige und kostenintensive Bürokratie.
– Der beklagenswerte Zustand hat durchaus Verantwortliche. Das sind nicht nur die kleinen Luschen in der Abrechnungsstelle, sondern frühere Stadtdirektoren, Bürgermeister und aktuell: zuständige Dezernenten und – eine hauptamtliche Bürgermeisterin, die nach GO (Gemeindeordnung NRW) über die Organisations- und Personalhoheit verfügt. Top down!**
– Wie das mit der Verantwortung läuft, zeigt die letzte Präsenz der GPA (Gemeindeprüfungsanstalt) in Witten. Zum Abschluss der GPA-Untersuchung bot der GPA-Chef an, die Wittener Verwaltung jederzeit bei Verbesserungen zu unterstützen. Das Angebot ist bisher nicht auf Gegenliebe gestoßen.
→ WAZ 9.11.17: Gemeindeprüfer_ Stadt Witten hat immer noch zu viel Personal (mehr …)