Ich habe in meinem Beitrag „Klimanotstand!“ geschrieben „Wie vermeldet wird, werden sich auch die Piraten der Resolution anschließen“. Der Fairness halber sei hier darauf hingewiesen, dass die Piraten in derselben Angelegenheit einen eigenen, auch guten Antrag eingebracht haben:
→ Antrag Piraten vom 4.6.19: PIRATEN Resolution zur Ausrufung des Klimanotstands unterstützen
Ich hoffe, dass sich beide Fraktionen auf einen gemeinsamen Antrag werden einigen können.
Aus gegebenem Anlass weise ich darauf hin, dass sich im (noch) geltenden Programm des bürgerforums folgende Passagen finden:
Kommunalwahlprogramm des bürgerforums:
„Für eine gesunde Umwelt
Witten braucht eine gesunde Umwelt. Auch in unserer Stadt ist durch falsche
Entscheidungen zur Klimaverschlechterung beigetragen worden. Durch Flächenfraß,
überflüssigen Landschaftsverbrauch, vermeidbare Luftbelastung, Vernachlässigung der
Stadthygiene ist die Umwelt geschädigt worden. Durchgreifende Maßnahmen zum Schutz
von Flora und Fauna sind bislang unterblieben oder nur unzureichend durchgeführt worden.
Andererseits hat unsere Stadt das Potential, durch systematische Pflege und Ausbau der
Umweltqualität und eine entsprechende Schwerpunktsetzung bei der Stadtentwicklung den
Bürgerinnen und Bürgern eine gesunde Umwelt zu bieten. Witten hat durch seine Lage am
südlichen Rand des Ruhrgebiets den großen Vorteil, eine grüne Ruhrgebietsstadt zu sein.
Dieser Vorteil darf nicht leichtfertig zerstört werden.
Deshalb werden wir:
alle kommunalen Initiativen zum Klimaschutz unterstützen; (mehr …)
Am 5.6.19 beantragten die Grünen eine Resolution zum Klimanotstand, die im ASU/HFA/Rat beschlossen werden soll: Klimanotstand_46_V16
Die Resolution, die aus meiner Sicht in einzelnen Punkten auch Antragscharakter hat, ist gut und richtig, und ich werde auf jeden Fall für sie stimmen. Wie vermeldet wird, werden sich auch die Piraten der Resolution anschließen.
Hier nur eine Anmerkung zu Punkt 5 der Resolution: „Der Rat der Stadt Witten: 5. stellt fest, dass das im Jahr 2013 im integrierten Klimaschutzkonzept (IKSK) verabschiedete Ziel der Reduktion der CO2-Emission bis 2020 um 25% nicht nur zu gering ist, sondern auch mit den bisher vereinbarten Maßnahmen nicht erreicht werden kann. Die Verwaltung wird beauftragt, Maßnahmenvorschläge vorzulegen, die eine Erreichung der Ziele des Klimaschutzkonzepts sicherstellen.“
Es wird richtigerweise darauf hingewiesen, dass im Jahr 2013 – also vor ca. 6 Jahren! – der Wittener Rat ein integriertes Klimaschutzkonzept (IKSK) mit dem Ziel einer CO2-Reduktion bis 2020 um 25% verabschiedet hat*. Dieses Ziel sei zu gering und könne darüber hinaus mit den vereinbarten Maßnahmen nicht erreicht werden.
Instruktiv und wichtig wäre in diesem Zusammenhang eine Bilanz der Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen seit 2013. Die Resolution stellt nur schlicht fest, dass die 25% mit den vereinbarten Maßnahmen nicht erreicht werden konnten. Was ist den im Laufe der Jahre tatsächlich an Maßnahmen durchgeführt worden, um überhaupt 25% – die in der Resolution als zu gering qualifiziert werden – zu erreichen? (mehr …)
Ich habe schon in meinem Beiträgen „ Europawahl – Witten: Grünste Stadt im Revier?“/29.5.19 darauf hingewiesen, dass der deutsche Grünen-Hype in Europa nur zu einem überschaubaren Anstieg der grünen Präsenz im Europaparlament geführt hat. Im Europaparlament ist das Ergebnis der Wahl eine konservative bis rechtspopulistische – und in diesem Fall europakritische – Mehrheit. Zu dieser Problematik habe ich im Internet zwei kluge Artikel gefunden, auf den ich hier verweise:
→ ZEIT ONLINE: Die Fronten sind geklärt Europawahl_ Die Fronten sind geklärt
→ DER TAGESSPIEGEL: Die Grenzen der Grünen Deutsche Eigenheiten nach der Europawahl_ Die Grenzen der Grünen
Insofern sind trotz aller Umfrage-Höhenflüge die deutschen Grünen mit Robert Habeck gut beraten, den Ball flach zu halten.
Genau genommen hat sich ja abgesehen von den Jubelrufen der Grünen nichts geändert. Das europaweite Ergebnis hat nur eine leichte Verbesserung für die Grünen ergeben, und die bisherigen Mehrheits- und Machtverhältnisse auf Bundesebene, im Land und auch kommunal bestehen nach wie vor weiter. Was das z.B. bezogen auf eine konsequente Umwelt- und Klimaschutzpolitik aktuell heißt, machen zwei Statements deutlich:
In der WAZ vom 29.5.19 äußert sich die NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (im Artikel „Städte müssen Konflikte austragen“): „Der Regionalverband Ruhr hat den Regionalplan auf der Basis der strengen Planungsvorgaben der rot-grünen Vorgängerregierung aufgestellt. CDU und FDP geben den Planern nun größere Freiheiten bei der Ausweisung von Flächen für Gewerbe und Wohnen“.
Und in der selben WAZ nimmt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil im Artikel „Wir müssen klarmachen, wofür die SPD steht“ folgendermaßen zum Wahlausgang Stellung: „Aber im Übrigen muss die SPD jetzt auch einmal die Auseinandersetzung mit den Grüne führen. Welche Konzepte haben die Grünen, um Arbeit und Umwelt zusammen zu bringen, oder sind ihnen Arbeitsplätze egal? Und wie soll die Klimawende finanziert werden, ohne dass die kleinen Einkommen bluten?“.
Mein Kommentar dazu: Falsche und klimaschädliche Zielstellungen, alte verstaubte Frontstellungen und nix gelesen und gelernt.
Natürlich ist das grüne Ergebnis sowohl bundesweit bei den Europawahlen wie auch in Witten beachtlich. Es zeigt zweierlei: dass Sachthemen, für die Grünen – im Bund, Land und auch in Witten – stehen sollten (Klimaschutz etc.) für Wähler_innen zunehmend wichtiger geworden sind, und dass die unsägliche Wurschtelei der sog. Volksparteien (CDU, SPD) von den Wähler_innen immer weniger goutiert wird.
Den Wittener Grünen würde ich allerdings empfehlen, die Bodenhaftung und den Realitätsbezug nicht zu verlieren. Erstens ist das besonders gute Ergebnis in Witten im Revier nichts Neues. Schon 1994 hatten die Wittener Grünen mit ca. 8.300 Stimmen bei der damaligen Kommunalwahl die Spitze im grünen Revierrankung erreicht. Zweitens sind derartige Ergebnisse bei den Grünen extrem volatil. Denn 1999 lagen die Wittener Grünen dann bei ca. 2.800 Stimmen – der Absturz nach Beginn der rot-grünen Koalition unter Schröder (siehe dazu mein Beitrag „Nichts ohn‘ Ursach – wie die Wittener seit 1994 ihre Selbstverwaltung gewählt haben“/14.4.13)!
Heißt: Dass Ergebnis der Wittener Grünen ist absolut abhängig von drei Faktoren: der Performance konkurrierender Parteien (dies gilt auch für die kommunale Ebene), dem Bundestrend und der Leistung der Grünen in Regierungsverantwortung, wenn gegeben (s. Rot-grün im Bund nach 1998 und Rot-grün in NRW).
Hinzu kommt die bei genauerem Hinsehen fehlende politische Substanz der Wittener Grünen, was die grünen Kernthemen anbetrifft (Das mag übrigens der Hintergund sein, warum die Wittener Grünen am 26.5.19 das Spitzenergebnis ungläubig zur Kenntnis genommen haben: WAZ Online 27.5.19). (mehr …)
Zur Plakatposse AfD versus Piraten/Piraten versus AfD und Demo gegen die AfD:
Es gibt in der Werbung den Spruch „Bad news is better than no news“. Das könnte mensch auch zu den genannten Ereignissen und der breiten Berichterstattung in der WAZ* sagen – wobei die Berichterstattung nicht einmal richtig „bad“ war.
Mein Fazit zu den bedeutenden Ereignissen der Wittener Stadtgeschichte: Diejenigen, die die AfD ablehnen und nicht wählen werden, haben ihre jeweilige politische Haltung bekräftigt (AfD nicht, sonst sehr unterschiedlich), und diejenigen, die möglicherweise die AfD wählen wollen, werden sich durch die Ereignisse und Berichterstattung nicht von ihrer Wahl abbringen lassen – eher im Gegenteil. Darüber hinaus wird sich die AfD über die Presse und faktische Wahlkampfunterstützung freuen.
Und dieses „Zuspiel“ wegen einer Veranstaltung („Bürgerdialog“ der AfD) mit ca. 30 originären Teilnehmer_innen, wenn ich die Zahlen aus der WAZ-Berichterstattung richtig interpretiere?
Aus genannten Gründen nehme ich nicht mehr an Veranstaltungen wie der Gegendemo teil (siehe auch mein Beitrag „AfD im Saalbau: Fehlentscheidung glücklicherweise vermieden“/12.4.19). Übrigens: Den Einfluss rechter Diskurse – ein weites Feld – verhindert mensch nicht durch Gegendemos, sondern durch eine überzeugende (Sach)-Politik. Wenn die nicht überzeugt, sollte sich mensch nicht wundern. Die inhaltsleeren und z.T. sinnfreien Sprüche vieler nichtrechtspopulistischer Wahlplakate lassen da allerdings nichts Gutes hoffen. (mehr …)
(27.4.19: Zwei Ergänzungen in den Anmerkungen)
Am 7.3.19 zeigt das Jugendamt „Überlastung“ an (im Ausschuss für Jugendhilfe und Schule, Bericht WAZ: Mitarbeiter im Wittener Jugendamt zeigen Überlastung an). Am 11.3.19 reagiert die SPD-Fraktion mit einer Anfrage: Jugendamt. Am 10.4.19 antwortet die Verwaltung auf diese Anfrage: Personalsituation im Jugendamt. Über Anfrage und Antwort berichtet die WAZ am 20.4.19: Stadt_ Kindeswohl trotz Personalnot nicht akut gefährdet.
Bei der ersten Lektüre erschien mir die Antwort plausibel, bei erneuter Lektüre stutzte ich. Warum?
Die Antwort der Verwaltung beginnt mit einer Darstellung der globalen Stellenentwicklung der Stadtverwaltung seit 2012. Ich hätte eine Darstellung der Stellenentwicklung im Jugendamt erwartet. So erfahre ich eigentlich nichts über die Stellenentwicklung der Verwaltungseinheit, die die Überlastung angezeigt hat*. Die wäre aber wichtig für die Einschätzung der Überlastung im Rahmen der Gesamtverwaltung. Es könnte ja immerhin sein, dass das Jugendamt seine Stellen im Laufe der Jahre vermehrt hat, während die Stellen in anderen Bereichen reduziert worden sind. Es könnte aber auch anders herum sein.
In der Antwort wird dargestellt, dass sich die – vollzeitverrechneten – Stellen der Gesamtverwaltung von 1130,49 Stellen in 2012 zu 1156,72 Stellen in 2018 entwickelt haben. Sinn dieser Darstellung ist offenbar, dass sich bei ungefähr gleichbleibendem Personal und hinzu kommenden Aufgaben („Aufgabenzuwächse“) die Belastung der Verwaltung erhöht hat.
Das lässt sich sicher nicht bestreiten. Um die Situation angemessen beurteilen zu können, fehlt aber eine entscheidende Information: die Entwicklung der Personalkosten (sowohl für die Gesamtverwaltung wie für die des Jugendamts). Diese Entwicklung sieht folgendermaßen aus (Zahlen aus den jeweiligen Haushaltsplänen): Das ungefähr gleichbleibende Personal kostete 2012 ca. 65 Mio. € (64.982), in 2018 ca. 74 Mio. € (74.260), also ein Anstieg in 6 Jahren um ca. 6 Mio.. Für 2023 sind im laufenden Doppelhaushalt ca. 80 Mio. € prognostiziert! (Wie die Kostenentwicklung im überlasteten Jugendamt aussieht, hätte die Verwaltung eigentlich in ihrer Antwort darstellen müssen.)
Das heißt, dass die Belastungen, aber auch die Einkommen pro Kopf der Verwaltung erheblich gestiegen sind (ca. 5.186 €/Kopf, natürlich nach Gruppierung unterschiedlich gestaffelt: Manche erheblich mehr, manche erheblich weniger). Ursachen: Tarifabschlüsse, Höhergruppierungen etc..
Was bedeutet das vor dem Hintergrund der andauernden Haushaltskrise der Stadt Witten? (mehr …)
Am 17.4.19 berichtet die WAZ über die Befürchtung der Mieter_innen von 35 LEG-Wohnungen, nach Modernisierung und Mieterhöhung verdrängt zu werden. Auch die Wittener SPD nimmt Stellung: „Auch die Wittener SPD äußerte ihre Bedenken über die geplanten Maßnahmen und forderte die LEG auf, die Modernisierungen ’sozial verträglich zu gestalten’“(Zitat WAZ). So weit, so unproblematisch und unverbindlich aus meiner Sicht.
Problematisch finde ich hingegen eine weitere Äußerung der SPD in dem Artikel. Zitat: „Wir werden alle politischen Hebel ausloten, um für mehr Wohnraum zu sorgen.“ Problematisch, weil diese Position am aktuellen Problem (und zukünftig ähnlichen Problemen) vorbeigeht.
Mehr Wohnraum führt weder zur Verhinderung von unsozialen Mieterhöhungen durch Modernisierung im Altbestand noch zur Verhinderung des Verlustes von niedrigen Mieten durch das Mietpreis treibende Auslaufen von Sozialbindungen in Witten. Durch bloßen Zubau von Wohnungen auf Teufel komm raus ist diesem Problem nicht beizukommen. Im Gegenteil: Er würde neue Probleme durch Vernutzung und Versiegelung immer knapper werdender wertvoller Flächen schaffen*.
Sinnvoll wäre die Festsetzung einer sozial verträglichen Obergrenze für durch Modernisierung begründete Modernisierungen** und die Verhinderung von sozialunverträglichen Mieterhöhungen nach Auslaufen der Sozialbindungen im Altbestand. Inwieweit und in welcher Größenordnung dann noch Zubau zur Schaffung von preiswertem Wohnraum nötig wäre, ist aus meiner Sicht eine offene Frage, die sich nur durch eine konkrete und je aktuelle Bedarfsermittlung beantworten lassen dürfte. (mehr …)
Am 4.4.19 kommentierte die WAZ ihren Artikel „’Witten first‘: Schulen nehmen kaum Ortsfremde auf“ „Wittener first“_ Schulen nehmen kaum Ortsfremde auf richtigerweise mit dem Hinweis auf die Absurdität der „Witten first“-Regelung in Bezug auf die Aufnahme von Schülern an Wittener Schulen, die nicht aus Witten kommen: „Wittener Schüler werden bevorzugt, Auswärtige bestraft“ Wittener Schüler werden bevorzugt, Auswärtige bestraft.
Absurd, schülerfeindlich und umweltschädlich, weil grenznah in einer anderen Stadt wohnende Schüler gezwungen werden, lange und ermüdende Schulwege (Bustransport?) in Kauf zu nehmen, weil sie von einer ihrem Wohnort näher liegenden und womöglich fußläufig erreichbaren Wittener Schule abgewiesen werden. Ich hatte in meinen Beiträgen „Kein Friede der Adolf-Reichwein-Realschule!?“/28.10.15 und „Schulpolitik à la Trump“/6.3.17 schon vor längerer Zeit auf die Absurdität hingewiesen.
Ich erinnere mich, dass die Wittener Bürgermeisterin vor einiger Zeit äußerte, sie sei als Kurztrip nach Island geflogen. Gut, sie kann sich das leisten. Aber abgesehen davon, dass derartige Kurztrips extrem klimaschädlich sind, frage ich mich, was sie an Island wohl angezogen haben mag? Die unberührte, intakte Natur? Wenn das das Motiv war, beruhte es auf einer Illusion.
Denn ein großer Teil der „Natur“, die in Island zu sehen ist, ist die Folge einer zurückliegenden ökologischen Katastrophe auf Grund einer unangepassten Wirtschaftsweise der dort ab ca. 870 n. Chr. siedelnden Wikinger. Ich empfehle zur Aufklärung – auch für andere Islandtouristen – die Lektüre von Jared Diamond: Kollaps/Warum Gesellschaften überleben oder untergehen; Kapitel 6: Die Wikinger: Präludium und Fugen, S. 225 – 266; Frankfurt 2009.
Das Buch ist auch über diese spezielle Thematik hinaus in Bezug auf die Umweltzerstörungen unserer Wirtschaftsweise lesenswert. De te fabula narratur?