Klimaschutz: Es ist ja nicht so schlimm?
Zur Kenntnis und Mahnung an das „Es-ist-ja-nicht-so schlimm-Lager“: Im Spiegel vom 1.4.2017 erschien ein instruktiver Leitartikel, der die Dramatik der weltweiten Klimasituation nach dem Trumpschen Ausstieg aus dem Klimaschutz klar macht. Früher hieß es: „Think globally – act locally!“, heute ist „Act globally – act locally!“ dringend geboten. Die „Lockerung“ der Baumschutzsatzungen setzt in Witten – und in anderen Städten – in dieser Hinsicht eindeutig ein falsches Zeichen.
→ Spiegel 14/1.4.2017/Leitartikel: Leitartikel Die Dreckschleuder Spiegel Nr.14 1.4.2017
Überzeugender Konter
In den WAZ-Online-Kommentaren fand ich folgenden überzeugenden Konter von einem doc-ralf auf eine verquaste Einlassung von einem p.s.a (s.u. *) zur „Lockerung“ der Baumschutzsatzung (WAZ 1.4.17: „Koalition lockert Baumschutz“):
WAZ-Online-Kommentar doc-ralf/2.4.17
„Weniger Baumschutz = mehr Bäume
Dieser Logik, die direkt orwellschem Neusprech entsprungen zu sein scheint, folgt die GroKo und jetzt auch p.s.a.
Die abstruse Argumentation ist wie folgt: „Eigentlich mögen alle Menschen Bäume, aber wenn die böse Baumschutzsatzung Bäume schützt, dann werden sie aus Trotz gefällt.“
Es ist aber gar nicht so, dass alle Menschen Bäume mögen. Alle Menschen mögen Bäume, solange sie nicht auf ihrem eigenen Grundstück stehen. Dort machen sie nämlich Dreck, nehmen Licht weg, verursachen Laubfall oder laden Vögel zum Kacken ein.
Das ist genau wie mit dem Klimaschutz: Alle sind dafür, aber die PS-Leistung der Autos nimmt trotzdem jedes Jahr zu.
Deshalb ist die Lockerung der Baumschutzsatzung ein Schritt in die falsche Richtung. Sie entlässt den einzelnen Baumbesitzer aus seiner Verantwortung und lastet die Konsequenzen der Gemeinschaft an.
Es ist ein Armutszeugnis, dass sich auch die SPD als ehemalige Partei der „kleinen Leute“ verpflichtet fühlt, die Freiheit von Grundstückseigentümern und Hausbesitzern über den Imparativ des Art. 14 GG zu stellen. („Eigentum verfplichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen.“)
Trotz aller Schulz’schen Versprechen ist die „Partei der Kleinen Leute“ eine Partei der Grundstückbesitzer und Baumfäller geworden – und überlässt den nicht immobilienbesitzenden Teil der Bevölkerung den Parteien des linken und rechten Randes.
Traurig.“ (mehr …)
Abstimmung denkbar knapp
Die Abstimmung zur Baumschutzsatzung (Ratssitzung 30.3.17) war denkbar knapp. Bei namentlicher Abstimmung haben 37 Ratmitglieder für die „Lockerung“ gestimmt, 31 dagegen (Enthaltung Bürgermeisterin). Unter den 37 Befürwortern befanden sich 2 FDP-Ratsmitglieder (zur FDP siehe auch mein Beitrag „Bürgerlicher Anarchismus?„/ 11.1.17). Hätten die auch gegen die „Lockerung“ gestimmt, hätte das Ergebnis noch knapper ausgesehen: 35/33 (Enthaltung Bürgermeisterin). Ich vermute, dass einige SPD-Ratsmitglieder mit schlechtem Gewissen abgestimmt haben und möglicherweise bei einer geheimen Abstimmung anders votiert hätten. Die Abspaltung der SPD-Fraktion „Solidarität für Witten“ hat übrigens geschlossen – nach einem guten Redebeitrag von Thomas Richter – gegen die „Lockerung“ gestimmt.
„Purismus“?
Wer meinen Redebeitrag zur Baumschutzsatzung (Ratssitzung 30.3.17) unvoreingenommern liest, wird feststellen, dass er nichts mit „Purismus“ zu tun hat, wie der WAZ-Redakteur Kopps in seinem Kommentar (WAZ 01.04.17: „Mehr Freiheit im eigenen Garten“) etikettiert. Die übrigen Beiträge der Gegner der Lockerung hatten übrigens auch nichts damit zu tun. Aber wenn schon Etikettierung, scheint mir Herr Kopps zum „Es-ist-ja-nicht-so schlimm-Lager“ zu gehören. Leider sind Klimawandel und Klimaverschlechterung weltweit und lokal definitiv schlimm, und mit Trump wird es noch schlimmer.
Mein Redebeitrag/Thema Baumschutzsatzung/Rat 30.3.17
Hier mein Redebeitrag zum Thema Baumschutzsatzung auf der Ratssitzung am 30.3.17, auf der die GroKo die „Lockerung“ der bisher geltenden Satzung durchgezogen hat. Die gefärbten Stellen des ursprünglichen Entwurfs habe ich weggelassen, um die in der Ratsgeschäftsordnung rigide festgeschriebenen Redezeitbegrenzung von 3 Minuten einzuhalten.
→ Redebeitrag: Redebeitrag Langfassung
Mir ging es in meinem Redebeitrag darum:
1. den Widerspruch zwischen der von der GroKo durchgesetzten „Lockerung“ der bisher geltenden Satzung und dem immer dringender notwendigen auch örtlichen Klimaschutz aufzuweisen. Ich unterstelle der GroKo keine Leugnung der Wichtigkeit des Klimaschutzes, sondern selbstwidersprüchliches Handeln, was die Sache nicht besser macht.
Selbstverständlich haben Bäume – jeder Baum – auch noch andere positive Funktionen über den Klimaschutz hinaus (darauf hat richtigerweise die NaWit hingewiesen), aber angesichts des Klimawandels und der damit verbundenen Klimaverschlechterung kann nur immer wieder betont werden:
Zitat aus Redebeitrag: „Grundsätzlich: Jeder Baum trägt zum Klimaschutz bei, also zur Minderung und Vermeidung der schädlichen Auswirkungen der durch Menschen verursachten Klimaverschlechterung. Im Rahmen des Klimaschutzes ist also jeder Baum lebendiger Partner des Menschen zur Vermeidung und Dämpfung der Klimaverschlechterung. Folglich verschlechtert jede ersatzlose Beseitigung von Bäumen, die ohne dringende Not erfolgt, wegen der damit gegebenen vermeidbaren absoluten Verminderung des Baumbestands den Klimaschutz.“.
Und genau diese absolute Verminderung des Baumbestands befördert ohne Not aller Wahrscheinlichkeit nach die jetzt beschlossene „Lockerung“. (mehr …)
NaWit protestiert gegen „Lockerung“ der Baumschutzsatzung!
Heute erreichte mich folgendes instruktive Protestschreiben der NaWit (Naturschutzgruppe Witten) gegen die geplante „Lockerung“ der Wittener Baumschutzsatzung, das an alle Fraktionen verschickt worden ist. Gut gemacht, NaWit!
Protestschreiben der NaWit: Änderung Baumschutzsatzung
Abschreiben macht die Sache nicht besser
Derselbe ehemalige Gesamtschulleiter war sich auch nicht zu Schade, darauf hinzuweisen, er habe seine Position aus der Baumschutzsatzung Essens abgeschrieben („von Essen abgeschrieben – und die sind die Grüne Hauptstadt Europas 2017“/Zitat aus oben genanntem WAZ-Artikel). In diesem Zusammenhang möchte ich einen Leserbrief zitieren:
„Die Entwertung der Baumschutzsatzung, wie sie die große Koalition im Umweltauschuss vorgeschlagen hat, ist kontraproduktiv für Klimaschutz und saubere Luft in Witten. Durch die Erderwärmung heizen sich besonders die Innenbereiche größerer Städte sehr stark auf. Pflanzen wirken dem entgegen. Ein Freibrief, bestimmte Gehölze allgemein von jeglichem Schutz auszunehmen, unabhängig von Größe und Stammumfang, ist da ein falsches Signal.
Auch die Berufung der Ratsherren Wiegand und Jüngst (SPD) darauf, von der Satzung der „Grünen Hauptstadt Europas“ abgeschrieben zu haben, hilft nicht weiter. Die Baumschutzsatzung spielte für diesen Titel keine Rolle. Ausschlaggebend war die Entwicklung der Industriestadt Essen zu einer der grünsten Städte Deutschlands.“ (WAZ 20.3.17/Leserbief Joachim Drell/Klimaschädlich/Baumschutz spaltet Politik)
Es wäre vielleicht besser gewesen, nicht nur abzuschreiben, sondern über die Sache, in diesem Fall den Klimaschutz, nachzudenken. Dann wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass die Essener Baumschutzsatzung bzgl. des Klimaschutzes Mängel aufweist und die bewährte Wittener Baumschutzsatzung besser ist.
Baumschutz „lockern“ zum Allergikerschutz?
Die GroKo war sich auch nicht zu Schade, schlicht skurrile Argumente für die von der GroKo gewollte ersatzlose Fäll-Freigabe vorzutragen. Der ehemalige Gesamtschulleiter Klaus Wiegand (Ratsmitglied der SPD-Fraktion) verwies sogar zur Begründung darauf, dass die Beseitigung von Birken ja Allergikern helfen würde („…. aber vor allem deshalb nicht geschützt gehörten, weil ihre Blüten (gemeint sind Birken/K.R.) Allergien auslösen“/Zitat aus WAZ 18.3.17 „Baumschutz spaltet Politik“). So ein Schmarrn!
Ich z.B. leide unter einer ziemlich breiten Palette von Pollenallergien. Ist deshalb die Beseitigung aller Pflanzen wünschenswert, die derartige Allergien auslösen?
Warum dann in der Folge der Argumentation K. Wiegands nicht konsequent sein und den Allergikerschutz auf weitere pflanzliche Allergieauslöser ausdehnen? Was ist mit Gras? Rasen weg und zubetonieren? Oder was ist mit den Baumarten Erle, Esche, Hainbuche, Buche und Eiche – alles im Laufe eines Jahres bekannte Allergieauslöser? Hau weg die Bäume zur Allergiebekämpfung und Klimaschutz ade?
Eine wirklich sonderbare Methode der Hilfe für Allergiker! Hat der ehemalige Gesamtschulleiter bei seinen krampfhaften Begründungsversuchen für die Fäll-Freigabe ganz vergessen, dass die betreffenden Pflanzen vielfältige andere nützliche Funktionen haben, die nach Beseitugung nicht mehr erfüllt werden können?
Wie gleichgültig oder zynisch muss mensch eigentlich sein, um derart verqueres Zeug vorzutragen?
Baumschutzsatzung veraltet?
Die noch geltende Baumschutzsatzung stamme aus den 1980er Jahren (das behauptet Klaus Wiegend im WAZ-Artikel vom 18.3.17: Er habe die Baumschutzsatzung damals noch mit eigeführt) und sei deshalb im Sinne der von der GroKo angestrebten „Lockerung“ überarbeitungsbedürftig. Stimmt das?
Richtig ist, dass die Satzung aus den 1980er Jahren stammt (Korrektur 29.3.17: Hier muss ich mich korrigieren. Die erste Baumschutzsatzung ist nach Auskunft des städt. Baumschützers Herrn Ammersilge 1976 beschlossen worden – erstaunlicherweise zu einer Zeit, als die Wittener SPD noch über eine unangefochtenen absolute Mehrheit verfügte) und sich zwischenzeitig bewährt hat. Nicht richtig ist, dass sie überarbeitungsbedürftig ist. Sehen wir genauer hin.
In den 1980er Jahren (also doch wohl schon in den 1970er Jahren auch bei Sozialdemokraten/siehe Korrektur oben) war die Baumschutzsatzung ein erstes Zeichen einer Ökologisierung des Denkens. In diesem Rahmen geriet der Schutz und Erhalt von Bäumen in den Fokus. Wichtigstes baumbezogenes Thema damals war das Waldsterben und nicht der Klimaschutz.
Mittlerweile ist der Klimaschutz zu einem der wichtigsten Umweltthemen geworden. Klimaschutz richtet sich gegen durch Menschen verursachte Klimaveränderung (Klimaverschlechterung durch Erderwärmung), die nur noch von Trumpisten und der AFD geleugnet wird. Vor diesem Hintergund fährt Witten lobenswerterweise seit 2011 ein integriertes Klimaschutzkonzept und beschäftigt seit 2015 eine Klimaschutzmanagerin. Warum?
Aufgabe des örtlichen Klimaschutzes ist es, neben dem globalen Beitrag zum Klimaschutz die durch den Klimawandel verursachten örtlichen Schäden (z.B. Schäden durch Starkregen oder Starkwinde) zu verhindern und zu dämpfen, soweit die Kommune dies beeinflussen kann. Deshalb Energieeinsparung durch Dämmung, regenerative Energien, Elektroautos etc., weil eine der Hauptursachen der Klimaveränderung die CO2-Anreicherung der Atmosphäre durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe ist (siehe dazu CO2-Bilanz im städtischen Klimaschutzkonzept/Handlungsfelder).
Und welche Rolle spielen beim Klimaschutz die Bäume? (mehr …)
Hohenzollernviertel: Statt Streit um Namen besser Infomation
Am 17.3.17 veröffentlichte die WAZ einen Leserbrief von Herrn Ralph Klein, in dem dieser vorträgt, der Name „Hohenzollernviertel“ sei für ihn nicht hinnehmbar:
→ Leserbrief Ralph Klein: Leserbrief Ralph Klein
Wie mensch auch immer zu den Hohenzollern stehen mag – die Dynastie hat sich in manchen dunklen Phasen deutscher Geschichte nicht gerade mit Ruhm bekleckert -, der folgende Auszug aus dem Buch „Heinrich Schoppmeyer/Witten/Geschichte von Dorf, Stadt und Vororten/Erster Band/Witten 2012“ scheint mir nahe zu legen, dass der Name „Hohenzollernviertel“ die ursprünliche planerische und städtebauliche Konzeption des Viertels, deren bauliche Überbleibsel wir heute attraktiv finden, richtig wiedergibt. H. Schoppmeyer schreibt: „Das 1877 hier eingeweihte, fälschlich als Kriegerdenkmal apostrophierte Siegesdenkmal verdeutlicht hinreichend, dass Witten hier abseits vom alten Dorfkern und in der Nähe zu Bahnhof und Eisenbahn sein bürgerliches Vietel plante.“
Ich halte diese Einschätzung für zutreffend, und es war ein durch und durch reichs- und hohenzollerntreues Bürgertum, das hier tätig wurde (dokumentiert im genannten Buch von H. Schoppmeyer durch den Absturz der Fortschrittspartei und den rasanten Aufstieg der Nationalliberalen in Witten nach 70/71/S. 412/413).
→ Auszug aus „Witten etc.“: Hohenzollernviertel
Statt über einen Namen die problematischen Aspekte der Gründung des Viertels und Errichtung eines Denkmals wie des „Siegesdenkmals“ (Germania) zu verleugnen, hielte ich es für besser, bei der Erneuerung des Karl-Marx-Platzes (früher: Königsplatz!) und der wünschenswerten städtbaulichen Aufwertung des Viertels auf die problematischen Aspekte, z.B. durch Hinweise auf Informationstafeln, hinzuweisen. (mehr …)