Wittener Haushalt: Geld ist Geld?
Ergänzung 31.10.18: Die neuesten Zahlen zum Schuldenstand der Stadt aus dem Haushaltsplanentwurf 2019/2020 (Vorbericht S. 15) siehe ganz unten**
Am 11.10.18 titelt die WAZ: „Witten bekommt 4 Millionen aus dem Stärkungspakt für 2018“: Der Kämmerer mache keine Luftsprünge, aber Geld sei Geld.
→ WAZ 11.10.18: „Witten bekommt 4 Millionen aus dem Stärkungspakt für 2018“ Witten bekommt vier Millionen aus Stärkungspakt
Der Grund, warum der Kämmerer keine Luftsprünge machen dürfte, liegt darin, dass dieses Geld eben weniger Geld ist. Bei genauerem Lesen wird dies auch aus den richtig dargestellten Zahlen des Artikels deutlich. Hier noch einmal die prognostizierte Entwicklung der Stärkungspaktmittel bis 2021:
Entwicklung der Zuwendungen aus dem Stärkungspakt 2017 bis 2021 (aus Haushalt 2017/18): Zuwendungen / allgemeine Umlagen. Hierin sind vor allem folgende Positionen enthalten:
2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | |
TEUR | TEUR | TEUR | TEUR | TEUR | TEUR | |
Schlüsselzuweisungen | 48.433 | 47.132 | 50.700 | 53.286 | 55.524 | 58.416 |
Stärkungspaktmittel Land | 7.164 | 5.588 | 4.083 | 2.651 | 1.289 | 0 |
LZ Betriebskosten Kitas | 13.721 | 14.493 | 14.589 | 14.783 | 14.606 | 14.813 |
Erträge aus der Auflö- sung von Sonderposten aus Zuwendungen |
6.884 | 6.917 | 6.814 | 6.461 | 6.313 | 6.313 |
Sonstige | 9.128 | 9.069 | 8.571 | 7.837 | 7.920 | 5.939 |
Summe | 85.330 | 83.199 | 84.757 | 85.018 | 85.652 | 85.481 |
Bezogen auf die seit 2011 bis 2016 regelmäßig gewährten Zuschüsse aus dem Stärkungspakt von ca. 7,2 Mio. € heißt das, dass die wegfallenden Zuwendungen bis 2021 aus Bordmitteln kompensiert werden müssen, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erzielen: 2018 ca. 1,6 Mio. €, 2019 ca. 3 Mio., 2020 ca. 4,5 Mio. und 2021 ca. 5,9 Mio.. Die finanziellen Spielräume des Wittener Haushalts werden also von Jahr zu Jahr auch auf Grund der abnehmenden Zuschüsse enger werden. Zu Luftsprüngen – bei 350 Millionen aktueller Schulden (*s.u. Ergänzung und Korrektur 20.11.18)! – wahrlich kein Anlass.
Übrigens: Der Haushaltsausgleich ist nicht allein eine Forderung des Landes, sondern entspricht der gesetzlichen Regelung der Gemeindeordnung (§ 75 Abs. 2 Satz 1 GO NRW, auch mit einer klaren Regelung gegen Überschuldung!). (mehr …)
Wählerauftrag „Nicht weiter so“ in Bayern im Sinne der Grünen?
Robert Habeck (Bundesvorsitzender Grüne) interpretiert das Wahlergebnis in Bayern so, dass der Wählerauftrag laute „Nicht weiter so“ und „Verändert die Politik“. Ist das bei genauerem Hinsehen der Wählerauftrag? Wohl kaum.
Es ist leider eine Eigenschaft der Grünen, bei guten Wahlergebnissen ins Café Größenwahn abzugleiten. Ein Fernsehinterviewer schätzte den grünen Wahlerfolg als Pyrrhus-Sieg ein. Damit dürfte er Recht haben, weil nach Verzwergung der SPD und nach allem, was sich abzeichnet, die Grünen in Bayern nach Absage einer Koalition von Seiten der CSU nicht an die Landesregierung kommen werden und folglich in der nächsten Legislaturperiode – bezogen auf ihr Kernprofil – die einzige relevante Opposition im Landtag spielen müssen, so gern sie auch regiert hätten.
Aber zurück zu dem Wählerauftrag. Die Wanderungsbewegungen von der CSU weg ergeben folgende Zahlen: 180.000 sind zu den Grünen gewandert, aber auch 180.000 zu den Freien Wählern und 180.000 zur AFD, während die CSU 200.000 Nichtwähler mobilisieren konnte. Das heißt, dass die meisten Wähler zu konkurrierenden politischen Parteien innerhalb des sog. konservativen Lagers (Freie Wähler, AFD) abgewandert sind. Grund: Bezogen auf das Parteienspektrum dürfte die programmatische Wahlverwandtschaft zwischen den Kernprofilen der CSU, der Freien Wähler, aber auch der AFD relativ groß sein, die zwischen den Kernprofilen der CSU und der Grünen relativ klein. In Prozenten: 37,2% CSU, 11,6% Freie Wähler, 10,2% AFD (= 59%) gegen 17,5% Grüne, 9,7% SPD, 3,2% Linke (30,4%).
Und da die SPD sich in Bayern verzwergt hat, ist das Ergebnis eine Stärkung des sog. konservativen Lagers bei interner Umgruppierung der Stimmen (vor allem durch die AFD) – und nicht ein Wählerauftrag zum „Nicht weiter so“ und „Verändert die Politik“ im Sinne der Grünen, wie Robert Habeck meint. Da war wohl bei ihm der Wunsch der Vater der Analyse.
Hitze und Stadtentwicklung
In der ZDF-Mediathek fiel mir folgender 2minütiger Beitrag (30.7.18) auf:
→ ZDF-Mediathek/Rubrik: Die Hitze und ihre Folgen/Beitrag: Hitzestau in den Städten.
In dem Beitrag kommt die Essener Baudezernentin Simone Raskob zu Wort und erläutert ihr Programm u.a. der Stadtbegrünung, Schaffung von Frischluftschneisen und Baumpflanzungen. Derartige konsequente Schwerpunktsetzungen in der Stadtentwicklung und -planung scheinen also möglich zu sein, wenn sie von Verwaltung und Politik gewollt sind. Daraus könnten und sollten andere Städte – insbesondere auch Witten – bezüglich des Umgangs mit Frischluftschneisen (Beispiel: Stockum), grünen Inseln (Beispiel: Karl-Marx-Platz), Baumpflanzungen (Beispiel: Nordstraße) etc. lernen.
Gierschlünder
Zitat aus WAZ 23.7.18: „Grünes soll Städte in NRW in der Hitze des Sommers abkühlen“:
„Dabei konkurrieren aber Umwelt- mit Wirtschaftsinteressen: In nahezu jeder Revier-Stadt beklagen Unternehmen eine Gewerbeflächennot. Beim ersten Gipfeltreffen der Industrie- und Handelskammern mit dieser Redaktion warnten die Verantwortlichen, die derzeitigen Reserven reichten nur noch für rund elf Jahre. Das NRW-Umweltministerium hat die Sorge aufgenommen: Um dem Bedarf gerecht zu werden, wird derzeit eine Art Zertifikatehandel für Flächen geprüft. Städte, die ein bestimmtes Kontingent überschreiten, könnten anderswo Areale zukaufen. Das sei ein mögliches Instrument, um den Flächenverbrauch zu reduzieren, hieß es dazu aus dem Ministerium. In NRW liegt dieser bei täglich rund 20 Fußballfeldern.“
Siehe zur sog. Gewerbeflächennot mein Beitrag „Zerstörung der regionalen Grünzüge in Stockum und Heven: Kein Problem?“/20.11.14.
Apropos Hitze 2
Zitat aus WAZ/23.7.18: „Grünes soll Städte in NRW in der Hitze des Sommers abkühlen“:
„Meteorologen veröffentlichen für diese Woche eine Hitzewarnung für das Ruhrgebiet. Stadtplaner und Klimaexperten werben für Renaturierungen
Mit Rekordtemperaturen von über 36 Grad gerät das Ruhrgebiet in dieser Woche ins Schwitzen: Den Revierbürgern stehen in diesem besonders trockenen Sommer nun die bisher heißesten Tage des Jahres ins Haus.
Um in den Städten angesichts solch extremer Witterungen langfristig für Abkühlung zu sorgen, mahnen Klimaexperten und Raumplaner zum konsequenten Erhalt von Grünflächen und Frischluftschneisen. „Je geringer der Anteil von Grün und Wasser in einem Gebiet, umso mehr Wärme wird gespeichert“, zeigt Oscar Reutter vom renommierten Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie eine einfache Gleichung auf. Besonders zusammenhängende Grünflächen seien wichtig, um kühle Luft in die Innenstädte zu bringen.
‚Grün- und Wasserflächen wieder stärken‘
Das Ruhrgebiet gehört zu den am dichtesten besiedelten Regionen des Landes. Rund ein Viertel der Fläche Nordrhein-Westfalens ist bebaut, im Ruhrgebiet sind es knapp 40 Prozent. Wie aus dem Umweltbericht des Regionalverbandes Ruhr hervorgeht, sind allein in den Jahren 1997 bis 2007 Tag für Tag neue Siedlungs- und Verkehrsflächen mit einer Gesamtgröße von über zwei Hektar versiegelt worden.“
Apropos Hitze
Diesen instruktiven Artikel fand ich im vorletzten Spiegel (2018, Nr. 29). Für Witten heißt das: Speziell die Innenstadt wird in den nächsten Jahren mit noch zunehmender Hitze und Hitzeinseln (u.a. mit den entsprechenden Gefahren für die Gesundheit) zu rechnen haben. Deshalb ist Vorsorge dringend nötig. Dazu gehören auch (mehr) Grün und Bäume in der Innenstadt, aber auch – s. Stockum – Frischluftschneisen und das Intakthalten regionaler Grünzüge.
→ Spiegel 2018, Nr. 29: Heißzeit Spiegel 2018 Nr. 29 Heißzeit
Gewerbeflächen Stockum: Lassen wir uns unsere lebenswerte Zukunft nicht kaputt machen!
Aus der WAZ: „Der ‚1. Stockumer Stammtisch gegen die Bebauung des Vöckenbergs‘ trifft sich Dienstag, 24. Juli, 19 Uhr in den Räumen des Bürgerschützenvereins Stockum, Gerdesstr. 23, Kontakt: Tel. 0177 197 3367, protest@stockum.de.
Am 17.7.18 berichtet die WAZ: „RVR stellt Weichen für Gewerbegebiet in Stockum“:
→ WAZ 17.7.18: RVR stellt Weichen für Gewerbegebiet
Jetzt hat also der RVR (Regionalverband Ruhr) die Stockumer Flächen* (regionaler Grünzug) im Rahmen der Regionalplanung zum Abschuss frei gegeben (Zitat WAZ: „Rechtskräftig wird der Regionalplan Ruhrgebiet nicht vor Mitte 2020“, also in ca. 2 Jahren). So weit, so schlecht. Wie kann es nun weiter gehen, wenn der Abschuss noch verhindert werden soll?
Der Planungsdezernent des RVR Herr Tönnes** stellt richtigerweise fest, dass er nicht „einfach in die kommunale Planungshoheit eingreifen“ könne. „Vor einer späteren Umsetzung müsse die Stadt Witten ohnehin selbst ihren Flächennutzungsplan ändern und mit einem Bebauungsplan Baurecht schaffen.“ (Zitate WAZ).
Zur Änderung des Flächennutzungsplans und zu einem Bebauungsplan bedarf es einer Verwaltungsvorlage und einer Entscheidung des Rates (auch eines Ausschusses!). In einem ersten Schritt kann also vor Erstellung einer Verwaltungsvorlage diese durch Vorfeldwiderstand verhindert werden.
Sollte es zu einer Vorlage kommen, ginge es darum, diese durch eine entsprechende Mehrheit abzulehnen.
Wäre dies nicht erfolgreich, könnte das stärkste Mittel zu einer Verhinderung greifen: ein Bürgerbegehren/Bürgerentscheid. (mehr …)
Flucht und Migration: Archeprinzip als Aufgabe
Bei der ersten Flüchtlings- und Migrationswelle Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrtausends habe ich für mich den Begriff Archeprinzip geprägt. Was meinte das?
Wir alle kennen die Geschichte: Vor der Sintflut bekommt Noah den göttlichen Auftrag, eine Arche zu bauen. Er tut dies, nimmt jeweils ein Paar bestimmter Tiere auf und rettet damit sich selbst, die Gattung Mensch und andere Gattungen.
Diese Rettung ist nur deshalb erfolgreich, weil die Arche nicht zu klein und nicht zu groß ist und nur – der Größe angemessen – jeweils ein Paar der Tiere aufgenommen wird: Die Arche durfte nicht überlastet werden.
Die Rettung funktionierte also nur bei Berücksichtigung bestimmter Quantitäten (Kollateralschäden übrigens: Alle anderen sündigen Menschen und alle anderen Tiere sind in der Sintflut umgekommen. Bei genauerem Hinsehen also keine Herz erhebende Geschichte). Heute müsste mensch sagen: Noah war nur erfolgreich, weil er bestimmte Obergrenzen – um diesen perhorreszierten Terminus aufzugreifen – berücksichtigt hat.
Was hat diese Geschichte mit der jetzigen Flüchtlings- und Migrationsproblematik zu tun und was können wir aus der Noah-Geschichte lernen?
Wenn wir das Bild der Arche auf unserer Gesellschaft übertragen – sagen wir die Bundesrepublik Deutschland -, ist diese Arche nicht auf göttlichen Auftrag hin gebaut, und es geht auch nicht darum, die Welt zu retten. Erstens ist die Rettungsaufgabe begrenzter (Flucht und Migration), und zweitens können wir die Kapazität der Arche selbst bestimmen. (mehr …)
Beschämend?
In einem Leserbrief in der WAZ vom 2. Juli 2018: „Beschämend“ schreibt Peter Wagner „Es ist schon beschämend, dass die Stadtverwaltung nach so vielen Monaten noch keine Antwort gegeben hat“. Die Bemerkung bezieht sich auf einen Artikel der WAZ vom 29.6.18 „Junge Union will Frühwarnsystem für Naturfreibad in Witten“
→ WAZ 29.6.18: Junge Union will Frühwarnsystem für N_
Abgesehen davon, dass Peter Wagner Recht hat, wenn er fragt: „Auf der anderen Seite frage ich mich, ob es für die CDU nicht viel dringender zu lösende Probleme als ein Naturfreibad gibt“, möchte ich einmal die Verwaltung in Schutz nehmen. Denn tatsächlich hat die Verwaltung zu der Angelegenheit schon längst Stellung genommen.
Vielleicht gibt es ja zwischen der CDU-Fraktion und der Jungen Union Kommunikationsprobleme, oder die Junge Union hat die Stellungnahme falsch interpretiert, jedenfalls liegt eine Stellungnahme der Verwaltung seit dem 26.1.18 vor. Aus meiner Sicht bedeutet die Stellungnahme das endgültige Aus für das Projekt. Ob leider oder nicht leider, darüber kann mensch streiten, ändert aber nichts an der Sache.
Hier die Stellungnahme: Mitteilung der Verwaltung, 26.01.2018
Déjà vu: Vorausschauende Planung und Nachaltigkeit – Pustekuchen!
Zitat aus WAZ 3.7.18 „Wittener Politik diskutiert das Wohnen von morgen“: „Stadtbaurat Stefan Rommelfanger sagte, das Handlungskonzept Wohnen löse zwar „nicht alle Probleme dieser Stadt“. Er sprach aber von einem „Steinbruch guter Ideen“, einer Prognose für die nächsten 15 Jahre, die auch eine gute Grundlage für Investoren sei.Viele Flächen seien im Flächennutzungsplan von 2009 als Wohnbaufläche ausgewiesen. Nun gelte es, diese Areale zu aktivieren.“
Ich habe damals (2008) das Stadtentwicklungskonzept (STEK) „Unser Witten 2020“ als Grundlage des neuen Flächennutzungsplans (FNP) und natürlich auch den FNP 2009 abgelehnt. Hier mein Redebeitrag aus 2008:
Dazu zwei Anmerkungen:
– Das STEK hieß nicht umsonst „Unser Witten 2020“. Es war für einen Zeitraum bis 2020 gedacht. Mich irritiert immer der Zeithorizont solcher „vorausschauender“ Planungen. Wären die im FNP für Wohnen vorgesehenen Flächen in den vergangenen 10 Jahren vernutzt worden und würden der Rest noch bis 2020 vernutzt werden, hätten wir uns Prognosen bis 2030 – übrigens 12, nicht 15 Jahre – schenken können: Es wäre – abgesehen von den Kollateralschäden durch Versiegelung und Druck auf die Infrastruktur – nichts mehr übrig geblieben. Wirkliche vorausschauende Planung und Nachhaltigkeit scheint in dieser Stadt ein Fremdwort zu sein.
– Ich habe damals meine Rede als Vertreter der WBG gehalten. Wie das Schicksal so spielt: Von diesem Laden ist bis auf eine Minifraktion nichts mehr übrig geblieben: Der Verein hat bei den Wahlen 2009 rd. die Hälfte der Wählerstimmen verloren, bei den Wahlen 2014 – nach einer abenteuerlichen Exkursion als Schwanz des Schwanzes in einem „Regierungsbündnis“ (SPD; Grüne, WBG) mit Namen „Kooperation der Vernunft“ (Motto: „Wir halten Witten für die schönste Stadt des Ruhrgebiets“) – noch einmal die Hälfte. Woran das wohl liegt?