Was soll uns das nur sagen?
Etwas überrascht war ich von dem Flyer des SPD-Direktkandidaten Ralf Kapschack.
Lieber Ralf, was hast Du Dir bloß dabei gedacht? Ich finde im Flyer einen Kasten mit der Überschrift „4 Jahre in Zahlen“. Dort werden aufgeführt: „624 Stunden im Zug von und nach Berlin, 78 Sitzungswochen, 127 Ausschusssitzungen, 48 Gesetze, an denen ich mitgearbeitet habe, 25 Reden im Parlament“. Mir hat sich die Frage aufgedrängt. was Du mir (und Deinen erhofften Wähler_innen) wohl damit sagen willst? Dass Du nicht 4 Jahre in der Hängematte gelegen hast? Hätte ich auch nicht vermutet.
Aber: Die 624 Stunden im Zug hast Du bequem in der 1. Klasse und mit der Möglichkeit zu arbeiten verbracht, für die Sitzungswochen und Ausschusssitzungen bist Du ein bestens alimentierter Abgeordneter (s.u.), an den 48 Gesetzen hast Du eben nur mitgearbeiet (andere auch) – sicherlich zusammen mit Deinem Mitarbeiter, und die 25 Reden (6,25/Jahr) dürften im Rahmen der Groko (bei klaren Mehrheiten) einem Profi, der Du ja bist, auch nicht allzuviel Stress verursacht haben. Insgesamt kann das alles doch nicht allzu schweißtreibend und nervenaufreibend gewesen sein.
Und um einmal klar zu machen, was mit „bestens alimentiert“ gemeint ist, hier die Offenlage eines Deiner Fraktionskollegen, die etwas Transparenz in die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen wahrscheinlich auch Deiner Arbeit bringt*:
→ Gläserner MDB – Ulrich Kelber, MDB/Bonn: ‚Gläserner MdB – Ulrich Kelber, MdB I Bonns Bundestagsabgeordneter‘
*Einschränkend muss ich darauf hinweisen, dass Du es noch nicht zum parlamentarischen Staatssekretär wie Herr Ulrich Kelber und Dein Direktkandidat-Kollege von der CDU Dr. Ralf Brauksiepe gebracht hast. Aber bei Weiterführung der GroKo könnte daraus ja noch etwas werden.
Mein Fazit: Für die Bestalimentierung scheinen mir die angegebenen Belastungen (ganz unabhängig von der Qualität der Politik) nicht besonders hoch zu sein. Übrigens, wie wär’s, wenn Du einmal selbst eine Offenlage wie Dein Fraktionskollege vornehmen würdest?
Gefährliches Spiel
Mir geht es hier nicht darum, Witten anzuschwärzen, aber ich halte den lockeren Umgang der Verwaltung mit der GPA-Prüfung* für kontraproduktiv. Die GPA (Gemeindeprüfungsanstalt) ist in gewisser Weise der verlängerte Arm der Kommunalaufsicht (siehe dazu mein Beitrag „Wittens Haushalt – Licht am Ende des Tunnels, aber wie??“/6.1.16).
Wenn Witten die Kritik und Empfehlungen der GPA mit leichter Hand abtut und sich immer wieder gegen die GPA auf vorliegende Haushaltsgenehmigungen bezieht, kann das schnell nach hinten losgehen (Gefahren: Nichtgenehmigung des Haushalts, „Sparkommissar“), weil sich die unmittelbare Kommunalaufsicht (Kreis, Bezirksregierung) die Wittener Reaktionen aller Wahrscheinlichkeit genau ansehen wird.
→ hier die Argumentation der Verwaltung: Stellungnahme zum endgültigen Bericht
Deshalb ist es besonders wichtig, sauber zu argumentieren, wenn mensch etwas an der Prüfung auszusetzen hat.
Bei einigen Argumenten drängt sich mir aber der Eindruck auf, dass sie kess übers Knie gebrochen worden sind. Beispiele:
– Gesamthaushalt und KuFo:
Die GPA weist darauf hin, dass die Transferaufwendungen für das KuFo (als AöR) einen nicht unerheblichen Teil zur Höhe der gesamten Transferaufwendungen beitragen würden. Die Verwaltung hält dagegen, dass der Zuschuss an das KuFo nur 2 Prozent der Ausgaben des Gesamthaushalts betragen würde.
Unabhängig von der Frage politischer Prioritätensetzung: Die Argumentation der Verwaltung ist natürlich windschief. Denn es geht nicht um den Anteil des Kufo an den Gesamtausgaben, sondern um disponible Transfers. Der Löwenanteil der Transfers dürfte pflichtig sein, während es sich beim KuFo-Zuschuss um freiwillige Leistungen handelt.
In diesem Zusammenhang ist die vormalige „Liste der Grausamkeiten“ des Kämmerers interessant, die das aus Sicht des Kämmerers für eine Konsolidierung disponible Sparpotential enthält (siehe dazu mein Beitrag „Kuh vom Eis“/29.2.16). Aus ihr wird deutlich, dass beim Kulturforum – wie gesagt, ohne politische Prioritätensetzung – das summenmäßig höchste Einsparpotential der Liste vorliegt.
Insofern ist es sachlich richtig, wenn die GPA grundsätzlich auf den Zuschuss zum KuFo hinweist – genauso richtig, wie die Aufnahme dieses Zuschusses in die Liste der Grausamkeiten durch den Kämmerer. Der Hinweis der Verwaltung auf 2 Prozent der Gesamtausgaben geht an der Sache (und der Problematik) vorbei. (mehr …)
Abgerockt? Abgerockt.
Gäste, die Witten von außerhalb besuchen oder frühere Wittener, die nach längerer Abwesenheit Witten wiedersehen, sagen mir häufig, dass diese Stadt einen ziemlich ungepflegten und abgerockten Eindruck macht und, soweit es frühere Wittener betrifft, dass der Zustand Wittens sich über die Jahre erheblich verschlechtert habe. Nun, das sind äußere Eindrücke. Was an wirklichen Problemen dahinter steckt, macht der Vorbericht* der kürzlich abgeschlossenen GPA (Gemeindeprüfungsanstlt)-Prüfung deutlich (Stichworte: Relation Ertragskraft zu Substanzverzehr, Personalintensität). Hier einige instruktive Passagen:
„Die Haushaltssituation der Stadt Witten ist seit mehr als zwei Jahrzehnten kritisch. Die Stadt
Witten zählte fast durchgehend zum Viertel der Kommunen mit den höchsten Jahresdefiziten In anderen Jahren gehörte sie dann zu den 50 Prozent der Städte mit den ungünstigsten Jahresabschlüssen.
Die Stadt Witten hatte, auch im interkommunalen Vergleich, bereits bei der Eröffnungsbilanz
2008 mit 62,5 Mio. Euro ein relativ geringes Eigenkapital. Durch die hohen Jahresdefizite ab
2009 wurde das Eigenkapital vollständig aufgezehrt. Bereits seit 2010 ist die Stadt Witten bilanziell überschuldet. Ende 2015 erreicht die bilanzielle Überschuldung ein Volumen von fast 143
Mio. Euro. Damit sind rund 200 Mio. Euro an Kapital verbraucht.
Die jährlichen Defizite haben in Witten konkret spürbare Folgen:
• Substanzverzehr beim Gebäude- und Infrastrukturvermögen und
• zu hohe Liquiditätskredite. (mehr …)
Kesse Sprüche: SPD 2
Und weiter im Slogan-Text der SPD-Wahlplakate.
Ich lese und staune: „Bildung darf nichts kosten, außer Anstregung“. Was will uns die SPD damit sagen? Dass Bildung kein Nürnberger Trichter ist und die zu Bildenden sich anstrengen müssen, um Erfolg zu haben, dürfte eine Binsenwahrheit sein. Aber der Rest?
Im Flyer des SPD-Direktkandidaten Ralf Kapschack lese ich zum Stichwort Bildung: „Gebührenfrei von der KiTa, über Ganztagsbetreuung bis zur beruflichen und akademischen Ausbildung.“ Wenn es also um gebührenfreie KiTa-Plätze etc. geht, kostet es die unmittelbar betroffenen Eltern keine Gebühren, aber auch diese Eltern als Steuerzahler und der Steuerzahler allgemein würden allemal weiterhin finanziell belastet, weil die im öffentlichen Bildungssystem professionell Tätigen natürlich aus Steuermitteln alimentiert werden müssen (ehrenamtliche Tätigkeit der Erzieher_innen, Lehrer_innen und des in der akademischen Ausbildung engagierten Personals fordert die SPD doch wohl nicht?).
Kurz: Das öffentliche Bildungssystem, also Bildung, soweit Bildung nicht privatisiert werden soll, kostet – die Steuerzahlerin/den Steuerzahler, und zwar eine ganze Menge.
Was soll dann aber der kesse Slogan? Er ist schlichter Unsinn.
Ich meine, dass es der Demokratie gut tun würde, wenn Parteien auch im Wahlkampf versuchen würden, durch klare Aussagen zu überzeugen, statt kesse und darüber hinaus noch irreführende Slogans abzusondern. Oder ist Überzeugung gar nicht mehr gewollt und geht es nur noch um Pfründeverteilung? Wählen? Ja was denn?
Kesse Sprüche: SPD 1
Und wieder Plakatwahlkampf. Ich frage mich besonders bei dieser Wahl, was sich diejenigen, die für die Konzeption der Plakate verantwortlich waren, wohl gedacht haben. Nehmen wir diesmal die Plakate der SPD. Dort finde ich wirklich genial instruktive Slogans.
Z.B. „Damit die Rente nicht klein ist, wenn die Kinder groß sind“ – was sagt uns das von einer Partei, die 2007 die Rentenkürzungen (Rente ab 67) und das damit steigende Armutsrisiko bei den Renten mit initiiert hat? Wie hoch darf denn die Rente sein? Dazu würde mensch doch gern eine präzise Angabe haben.
Im Flyer des SPD-Direktkandidaten Ralf Kapschack finde ich folgende erläuternde Ausführung „Rente soll im Alter für ein Leben ohne große Einschränkungen reichen. Wer lange gearbeitet hat, darf nicht auf staatliche Fürsorge angewiesen sein. Eine Rentenversicherung für alle – Arbeiter, Angestellte, Beamte, Politiker und Selbständige – ist dringend erforderlich, keine Rente ab 70“. Also: Ohne große Einschränkungen, aber doch mit erheblichen? Und keine staatliche Fürsorge, aber knapp darüber? Der Hammer ist aber „keine Rente ab 70“. Das heißt doch wohl: Rente ab 68 oder 69 darf es mit der SPD sein.
Hier hält sich eine Partei offensichtlich alles offen – und will dafür gewählt werden?
Erinnert sei daran:
– Dass innerhalb der großen Koalition die SPD in trauter Eintracht mit ihren Koalitionspartnern die Rentenkassen für eine spezielle Klientel (Rente nach 45 Beitragsjahren ohne Abschläge) und Mütterrente (bekanntlich eine CDU/CSU-Forderung – ursprünglich CSU -, dann Koalitionsvertrag) geplündert hat. Dafür aufkommen müssen die Beitragszahler (die Kinder?).
– Dass das Rentenniveau z.B. in Nachbarländern wie Österreich, den Niederlanden und Frankreich relevant höher liegt als in der „reichen“ Bundesrepublik.
– Dass Beamte mit 72% ihres letzten Einkommens in Pension gehen. Im Vergleich zur Rente doch wohl ein echtes Privileg*.
Kurz: Mit der SPD ist in Sachen Rente keine wirkliche Verbesserung zu erwarten, wenn mensch ihrer Wahlwerbung Glauben schenkt. Wie auch von einer Rentenkürzungspartei? Deshalb: Wählen? Warum? (mehr …)
Gestaltungssatzung dringend überfällig!
Bei Durchsicht der WAZ fand ich in den Leserkommentaren zum Artikel „Graffiti-Künstler verdrängen Schmierer in Witten“ (WAZ 14.8.17) folgenden Kommentar von „batgirl“:
„Profi-Sprayer:
Da ist der Teufel offenbar mit Beelzebub ausgetrieben worden: Im Vergleich zu dem professionellen „Kunstwerk“ sind die unprofessionellen Tags ja geradezu zurückhaltend. Ein Schelm, der Böses dabei denkt: Erst kommen die unprofessionellen Sprayer, und dann die „professionellen“, die alles verschlimmbessern – aber eben professionell. Wieviel mag der faustdicke gestalterische Fehlgriff wohl gekostet haben? Und das ist auch noch an anderen Stellen geplant? Arme Stadt, die sich schlechte und deplatzierte Kirmesmalerei (knallig bunt, aber eben nicht schön und ohne gestalterischen Bezug zum Platz und Viertel) als Gestaltung des öffentlichen Raums gefallen lässt.“
Ich kann mich diesem Kommentar nur anschließen. Da ich nicht weit von dem „Kunstwerk“ entfernt wohne und den gestalterischen Fehlgriff jeden Tag bewundern kann, hat sich mir die Frage aufgedrängt, wie derartige Ausreißer hätten verhindert werden können – und in Zukunft auch an anderen Stellen zu verhindern wären. Die Antwort, die sich aufdrängt, heißt Gestaltungssatzung. Gestaltungssatzungen sind das wirksamste Instrument, um den in Witten bisher überbordenden gestalterischen Wildwuchs, der die Gestaltqualität und damit die Attraktivität einer Innenstadt oder eines Quartiers verschlechtert, einigermaßen in den Griff zu bekommen. Viele Städte verfügen mittlerweile über Gestaltungssatzung, wie mensch leicht über das Internet heraus bekommen kann (Beispiel Mülheim → Gestaltungsatzung_innenstadt ).
Tatsächlich hat es in Witten vor Jahren – noch unter dem Stadtbaurat Bradtke – erste Schritte in Richtung einer Gestaltungssatzung – allerdings eingeschränkt für die Innenstadt – gegeben. Aber immerhin. Nur, was ist daraus geworden? Bisher nichts. Hier eine Chronologie:
28.02.13: Beschluss ASU (TOP 3) über Gestaltungshandbuch und Auftrag Gestaltungssatzung Innenstadt (eingeschränkter Geltungsbereich:Innenstadt): Vorlage 0169 → 0169_V_16_Vorlage/Niederschrift ASU 28.02.13 → Niederschrift.
26.01.15: Beschluss über Erhaltungssatzung (Geltungsbereich Innenstadt): Vorlage 0685 → 0685_V_15_Vorlage/Ergänzungsantrag SPD/CDU → 0080_AG16_Antrag: Maßnahmen sollen nach beschlossenem Antrag der SPD/CDU jeweils als „wichtig“ eingestuft werden (gemäß Priorisierungsliste.
Am 21.8.17 teilt mir das Planungsamt mit, dass die Ausführung der Beschlüsse von der Bewilligung von Fördergeldern abhängig sei (Grund: Es müsse ein externes Büro beauftragt werden/personelle Engpässe bei der Wittener Verwaltung).
Was ist von dieser Auskunft zu halten? (mehr …)
Hohle Sprüche: Grüner Direktkandidat Janosch Dahmen II
Im Internet habe ich nach einigen Recherchen in grünen Websites folgende programmatische Äußerungen des Kandidaten gefunden:
‚Der Unfallchirurg und Notarzt aus Witten hielt auf der Versammlung (der GRÜNEN/K.R.) in Hattingen ein Plädoyer für eine offene und sichere Gesellschaft. Er führte aus: „Wir haben es mit einer kleinen Gruppe an Akteuren zu tun, die gezielt Hass in unserer Gesellschaft sät. Eine Auseinandersetzung mit ihnen müssen wir aber nicht scheuen, sondern suchen. Wir GRÜNE haben überzeugende Antworten durch alle Themenspektren hinweg – gerade auch in der Innen- und Sicherheitspolitik. Ich will mit meiner Kandidatur dazu beitragen, unsere gemeinsamen Grundwerte zu verteidigen.“
Fachpolitisch ist der Kandidat vor allem im Bereich der Gesundheitspolitik aktiv. Auch dies stellte er in seiner Bewerbungsrede heraus: „Die großen gesundheitspolitischen Fragen werden im Bundestag entschieden. Ich will mich dafür einsetzen, dass der Mensch wieder ins Zentrum einer sozialen und fürsorglichen Politik rückt und nicht etwa Patentinteressen großer globaler Konzerne. Eine Stärkung der Pflege, der Hebammen und des Rettungsdienstes ist dafür unerlässlich!“‚
Und mit diesem Wischiwaschi meint Dahmen, in den Bundestag zu müssen? Was haben diese „fachpolitischen“ Sprüche mit den realen Problemen der Gesundheitspolitik zu tun – ganz abgesehen von anderen wichtigen Politikfeldern? Da ist die Beliebigkeit vorprogrammiert. Klar, der Einfluss von Patentinteressen globaler Konzerne auf die medizinische Versorgung ist abzulehnen. Nur: Wie will Dahmen den bekämpfen? Darüber hinaus: Gibt es nicht auch Probleme wie die Kostenexplosion, die extreme Verfilzung (Herrschaft der Verbände im Gesundheitswesen) und die Ungleichheit bei der Behandlung (Zweiklassenmedizin)? Und was will Dahmen gegen die Fehlprogrammierung des Gesundheitwesens (Dominanz der Apparatemedizin aus Einnahmeinteressen/z.B. Thöns) tun?
Zum Schluss: Wie heißt es doch so schön im Kurzwahlprogramm der Grünen:
„Saubere Luft, reines Wasser und eine intakte Natur sind keine Selbstverständlichkeit, sondern entstehen nur durch entschiedenes Handeln.“
Ja eben. Und für das entschiedene politisches Handeln gegen die Verursachung von unsauberer Luft, unreinem Wasser und nichtintakter Natur – übrigens auch für die „Verteidigung der unserer Grundwerte“ (Welcher? Die Phrase könnte auch in einem CSU-Wahlprogramm als Begründung einer verschärften Sicherheitspolitik stehen: Von Ströbele, in dessen Wahlkampfteam er nach eigenen Angaben in Berlin gearbeitet hat, hat Dahmen offenbar nichts gelernt) – reichen kein programmatisches Wischiwaschi und keine Sprüche wie „Zukunft gestalten, statt Gegenwart verwalten“. (mehr …)
Hohle Sprüche: Grüner Direktkandidat Janosch Dahmen I
Der Plakatwahlkampf tobt auch in Witten. Nicht wahlentscheidend, wie die naseweisen Vertreter_innen der Parteien sich in der WAZ äußern? Mag sein, aber immerhin sind Plakate doch so etwas wie Visitenkarten der Parteien (der Listen und der Direktkandidaten – weibliche Kandidatinnen tauchen beim WAZ-Wahkforum nicht auf!). Wer sich allerdings diese Visitenkarten genauer anschaut, wird sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass hier leider (aber doch instruktiv in Hinblick auf die politischen Qualität der kandidierenden Parteien) die Ernsthaftigkeit zu wünschen übrig lässt. Ich werde in den nächsten Tagen einiges mir besonders Auffalende auf’s Korn nehmen.
Besonders aufgefallen ist mir das Plakat des Grünen Direktkandidaten Janosch Dahmen (immerhin auch Platz 14 der Landesliste) – unter anderem deshalb, weil ich die Grünen Anfang der 80er Jahre mit gegründet habe. Damals waren die vier Grundsäulen der Grünen: „Ökologisch“, „Sozial“, „Basisdemokratisch“ und „Gewaltfrei“. Nun, mittlerweile ist durch das Mitregieren und das Mitregieren-Wollen viel Wasser in den Wein geraten. Böse formuliert: Von den Ansprüchen steht bei winkender Regierungsbeteiligung eigentlich alles zur Disposition und/oder ist schon einmal zur Disposition gestellt worden.
Ökologisch? Wer nimmt z.B. Herrn Kretschmann noch die Ernsthaftigkeit des Willens zum Klimaschutze ab angesichts der schützenden Hand des „Landesvaters“ über „seine“ Autokonzerne? Sozial? Wir erinnern uns, dass nicht nur die SPD, sondern auch die Grünen für Hartz IV verantwortlich waren. Basisdemokratisch? Auch davon ist bei der abgehobenen Politik – unter anderem in Witten, wo die Grünen in den zurück liegenden Jahren konsequent gegen alle Bürgerbegehren waren – nicht viel zu spüren. Und gewaltfrei? Da dürfte der Sündenfall endgültig mit der Zustimmung zum Kosovo-Krieg eingetreten sein.
Insofern würde mich die Position von Janosch Dahmen – der auch schon einmal eine Wahlperiode lang unauffällig im Wittener Rat gesessen hat – zu der ein oder anderen inhaltlichen Frage interessieren (siehe dazu Direktkandidat Janosch Dahmen II). Was sagt mir aber der Direktkandidat auf seinem Plakat (ohne Hinweis auf Weiteres in einer homepage) über seinen politischen Willen – immerhin will er in den Bundestag? Ehrlich, ich fass es nicht: „Zukunft gestalten, statt Gegenwart verwalten“! Inhaltsleerer und platter geht es nicht. Politikersatz über Sprücheklopfen: Traurig, denn als Satire ist ein Bundestagswahl eigentlich zu ernst. Schließlich entscheiden Bundestagsabgeordnete in nicht unerheblichem Mass über das Schicksal unseres Landes. (mehr …)
Sackgasse?
In dem WAZ-Artikel vom 27.6.17 „Zirkusreiter sind in der Sackgasse“ schreibt der WAZ-Redakteur Herr Vaupel: „Die Kölner Kunstexpertin Dr. Katja Terlau kam in ihrem Gutachten, das sie im Februar 2016 dem Verwaltungsrat des Kulkturforums vorstellte, zu dem Schluss, dass das Bild Flechtheim in der Nazizeit nicht entzogen worden sei.“
So ist das nicht richtig. Generell: Wenn ich einen zweifelhaften Besitzanspruch erhebe, muss ich ihn gewöhnlich belegen. So auch die Erben Flechtheims und ihr Anwalt Markus Stötzel. Frau Dr. Terlau ist nicht zu dem Schluss gekommen, dass das Bild in der Nazizeit Flechtheim nicht entzogen worden sei, sondern dass sich dieser Entzug und damit der Besitzanspruch nicht zweifelsfrei belegen lasse* (siehe zu dieser Angelegenheit auch mein Beitrag: „Zirkusreiter-Bild: Gutachten wirklich absolut wertlos?“/2.3.16).
An dieser Sachlage dürfte auch ein zweites, drittes etc. Gutachten nichts ändern. Also: Entweder Herr Stötzel legt zweifelsfreie Belege vor, oder mensch sollte die Angelegenheit endlich auf sich beruhen lassen. Das gilt auch für die Linke. Um seine korrekte antfaschistische Gesinnung zum Ausdruck zu bringen, gibt es sicherlich geeignetere Anlässe.
*Hier das Fazit des Gutachtens von Frau Dr. Terlau aus 2016: (mehr …)
Hohenzollernviertel/Karl-Marx-Platz: Ein heller Moment von Klaus Wiegand
Kleiner Exkurs zum Karl-Marx-Platz und Hohenzollernviertel: 2011 unternahm die Wittener CDU auf Veranlassung einiger junger CDU-Wilder den Vorstoß, den Karl-Marx-Platz in Platz der deutschen Einheit umzubenennen (WAZ vom 31.1.1011: „Karl Marx bleibt in der Stadt“ ). Diesen Vorstoß konterte damals lobenswerterweise und mit Erfolg das SPD-Ratsmitglied Klaus Wiegand. Im Gegensatz zu seiner Baum-ab-Initiative einer seiner hellen Momente. Kleine Ergänzung: Es gab wohl zu Lebzeiten von Karl Marx keine kommunistische Partei, aber bekanntermaßen ein vom ihm und Friedrich Engels verfasstes „Manifest der Kommunistischen Partei“ – in manchen analytischen Passagen immer noch lesenswert*.
Aus SPD Witten/Kommunalpolitik/30.01.2011: Klaus Wiegand im Rat der Stadt Witten
Mit einem Antrag der jungen Wilden der CDU- Ratsfraktion macht sich derzeit die CDU mehr als lächerlich. Sie verbindet den Namen von Karl Marx mit sozialistischen Greueltaten und will den Wittener Platz umbenennen. In einer bermerkenswerten Rede hat Ratsherr Klaus Wiegand die Diskussion versachlicht. Nachfolgend geben wir die Rede wieder.
„Der Name Karl Marx Platz muss bestehen bleiben! Zu diesem CDU- Antrag ist ein kleiner Exkurs in die Geschichte notwendig. Ich glaube nämlich, dass die Verfasser dieses Antrages im Geschichtsunterricht des 19. un20. Jahrhundert wohl nicht so richtig aufgepasst haben.
Der deutsch- jüdische Philosoph Karl Marx ist – historisch gesehen – neben Ferdinand Lassalle einer der geistigen Väter der deutschen Sozialdemokratie – unbestritten! Er musste nach England emigrieren, weil es im 19. Jahrhundert in Preußen keine Meinungsfreiheit gab und er seine ökonomischen Theorien auf deutschem Boden nicht verbreiten durfte. Karl Marx war gleichzeitig Vordenker der sozialistischen Internationalen. Seine tief greifenden Analysen über die unterdrückte und damals ausgebeutete Arbeiterschaft waren bahnbrechend für alle europäischen Sozialdemokratien. Das gleiche galt für die Wege, die er zur Befreiung und Emanzipation der
besitzlosen Arbeiterschaft aufzeigte.
An diesen großen deutschen Vordenker wollen wir auch in Zukunft weiterhin erinnern! Übrigens, zu Karl Marx Lebzeiten gab es keine kommunistische Partei in Deutschland! (mehr …)