„Vaterlandsverteidigung“: Parallelen?

Ich habe in meinem Beitrag „Mit Patriotismus in die Katastrophe?“/16.8.22 Parallelen zur aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg nahe gelegt. In einer Hinsicht gibt es aber mit Sicherheit keine Parallele. Im Unterschied zum Ersten Weltkrieg, dessen Unterstützung durch die SPD ganz entscheidend durch den Glauben an die Notwendigkeit einer „Vaterlandsverteidigung“ motiviert war*, wäre allein der Gedanke an eine „Vaterlandsverteidigung“ Deutschlands angesichts der waffentechnischen Entwicklung (Atomwaffen, chemische und biologische Waffen) und der destruktiven Dimensionen eines modernen Krieges absurd.

Die SPD hatte nach 1914 vier Jahre Zeit (allerdings mit großen Opfern und großem Leid verbunden), ihre anfängliche Kriegseuphorie als das zu erkennen, was sie war: eine durch Kriegstreiber manipulierte Illusion. So viel Zeit würde bei einem modernen Krieg nicht bleiben. Bei einer militärischen „Vaterlandsverteidigung“ würde nach allen vorliegenden Erkenntnissen nach kurzer Zeit wahrscheinlich nur noch ein verwüstetes und nicht mehr lebenswertes „Vaterland“ übrig bleiben**.

Defätismus***? Nein, sondern schlichtes Kosten-Nutzen-Kalkül: Die Kosten der „Vaterlandsverteidigung“ wären zu hoch. Insofern ist die mit einer „Verteidigung“ Deutschlands und einer fragwürdigen „Abschreckung“ begründete aktuelle Aufrüstung (100 Milliarden, die an anderer Stelle dringend gebraucht würden) auch ein gefährlicher Unsinn.

*Es stellte sich dann bald heraus, dass der Krieg kein „Verteidigungskrieg“, sondern ein Angriffs- und Annexionskrieg des deutschen Reiches war.

**Siehe dazu mein Beitrag „Recht auf Selbstverteidigung?“/12.4.22.

***Siehe zu Defätismus: https://de.wikipedia.org/wiki/Def%C3%A4tismus.