Haushaltsreden der Fraktionen: Leider eine einzige Überlastungsanzeige

Ich habe einmal die schriftlich vorliegenden Haushaltsreden (Die bekanntlich während der Ratssitzung am 15.2.21 nicht vorgetragen worden sind) bewertet und kommentiert (hellrot in Klammern im jeweiligen Text)*. Mein generelles Fazit: Die Elite der Wittener Kommunalpolitik (die Fraktionsvorsitzenden der großen, mittelgroßen und kleinen (Mini-)Fraktionen) ist mit der aktuellen katastrophalen Situation des Wittener städtischen Haushals – sowohl was die Kompetenz wie die Remedur** anbetrifft – schlicht überfordert.

Beispiel: Die wohlfeile Forderung vieler Redner_innen nach einem Schuldenerlass oder -schnitt oder einer Schuldenverschiebung (Das gerät in den Reden zum Teil wild durcheinander), obwohl doch die schlichte Kenntnisnahme der Zahlen der Etatrede des Kämmerers deutlich macht, dass das Verschwinden der Schulden den Haushalt nur unwesentlich – wegen der niedrigen Zinsbelastung – entlasten und die strukturellen Problem des Haushalts nicht beseitigen würde.

Die meisten Fraktionsvorsitzenden loben einige „Geschenke“, die zu steigenden Personalkosten*** führen. Merke aber: „Streetwork“ führt nicht automatisch zu einem Rückgang des Vandalismus, Stellen für Klimaschutz nicht automatisch zu mehr realem Klimaschutz, und ein Fahrradbeauftragter nicht automatisch zu einer besseren Umsetzung des Fahrradkonzepts.

Das Gleiche gilt für die zusätzlichen Ingenieurstellen. Auch in diesem Fall bleibt die Verbesserung der Abläufe und die Abarbeitung wünschenswerter zusätzlicher Projekte (die finanziert werden müssen!) abzuwarten. Grundsätzlich: Mehr Stellen führen nicht automatisch zu einer besseren Problemlösung. Entscheidend dürfte nicht die Zahl der Stellen, sondern die Organisation sein.

Hier die schriftlich vorliegenden Haushaltsreden:

SPD: Haushaltsrede SPD, CDU: Haushaltsrede CDU, Grüne: Haushaltsrede Grüne, Linke: Haushaltsrede Linke, Piraten: Haushaltsrede Piraten, AfD: Haushaltsrede AfD, Stadtklima: Haushaltsrede Stadtklima, WBG: Haushaltsrede WBG, FDP: Haushaltsrede FDP

*Den Vogel abgeschossen hat natürlich wieder die „neu aufgestellte“ Fraktion Bürgerforum+. Am 21.2.21 entdeckte ich in der WAZ einen Artikel „Bürgerforum+: Haushalt der Stadt zähneknirschend zugestimmt“. Im Artikel entschuldigt sich die WAZ, dass sie bei der Vorstellung der Haushaltsreden diese Fraktion vergessen habe. Da mir die schriftlichen Haushaltsreden der übrigen Fraktion über die WAZ schon vorlagen, suchte ich nach der schriftlichen Rede. Vergeblich, denn die ist nicht zu finden. Der Artikel enthält als „Rede“ nur die Forderung nach einem „Schuldenschnitt“, eine nachträgliche Kommentierung der Abstimmung über Haushaltsanträge des Bürgerforums+ und einen Hinweis auf die gute Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen. Ich schließe daraus, dass es der Fraktionsvorsitzende der Fraktion Bürgerforum+ Harald Kahl (vertritt 5 Ratsmitglieder) nicht nötig gehabt hat, ein schriftliche Rede zu formulieren. Ist ja auch bequemer so: Mensch muss sich mit dem Zahlenwerk und den Problemen des Haushalts gar nicht erst befassen. Nur: Mit einer transparenten und begründeten Politik hat diese Bequemlichkeit nichts zu tun.

**Zur Remedur siehe meine Beiträge „Wittener Finanzmisere – Kein Licht am Ende des Tunnels“/30.11.15 und „Wittener Haushalt – Licht am Ende des Tunnels, aber wie??“/6.1.16

***Zu Personal und Personalkosten: Stellenplan 2021