Europawahl – Witten: Grünste Stadt im Revier?

Natürlich ist das grüne Ergebnis sowohl bundesweit bei den Europawahlen wie auch in Witten beachtlich. Es zeigt zweierlei: dass Sachthemen, für die Grünen – im Bund, Land und auch in Witten – stehen sollten (Klimaschutz etc.) für Wähler_innen zunehmend wichtiger geworden sind, und dass die unsägliche Wurschtelei der sog. Volksparteien (CDU, SPD) von den Wähler_innen immer weniger goutiert wird.

Den Wittener Grünen würde ich allerdings empfehlen, die Bodenhaftung und den Realitätsbezug nicht zu verlieren. Erstens ist das besonders gute Ergebnis in Witten im Revier nichts Neues. Schon 1994 hatten die Wittener Grünen mit ca. 8.300 Stimmen bei der damaligen Kommunalwahl die Spitze im grünen Revierrankung erreicht. Zweitens sind derartige Ergebnisse bei den Grünen extrem volatil. Denn 1999 lagen die Wittener Grünen dann bei ca. 2.800 Stimmen – der Absturz nach Beginn der rot-grünen Koalition unter Schröder (siehe dazu mein Beitrag „Nichts ohn‘ Ursach – wie die Wittener seit 1994 ihre Selbstverwaltung gewählt haben“/14.4.13)!

Heißt: Dass Ergebnis der Wittener Grünen ist absolut abhängig von drei Faktoren: der Performance konkurrierender Parteien (dies gilt auch für die kommunale Ebene), dem Bundestrend und der Leistung der Grünen in Regierungsverantwortung, wenn gegeben (s. Rot-grün im Bund nach 1998 und Rot-grün in NRW).

Hinzu kommt die bei genauerem Hinsehen fehlende politische Substanz der Wittener Grünen, was die grünen Kernthemen anbetrifft (Das mag übrigens der Hintergund sein, warum die Wittener Grünen am 26.5.19 das Spitzenergebnis ungläubig zur Kenntnis genommen haben: WAZ Online 27.5.19). Die Wittener Grünen haben in dieser Hinsicht Einiges auf dem Kerbholz (s. meine Beiträge zu den Wittener Grünen in diesem Blog). Insofern befürchte ich, dass eine grüne „zweitstärkste Kraft“ (Frau Legel-Wood im WAZ-Artikel „Witten bei Europawahl grünste Stadt im Revier“/29.5.19) – die absolute Mehrheit wäre es ja nicht, sondern erst einmal würden nur mehr Mandate/Pöstchen herausspringen* – hinauslaufen würde auf viel Konfusion, Unsinn (siehe dazu beispielhaft mein Beitrag „Getreideanbau am Wittener Kornmarkt: Ein vorgezogener Aprilscherz?“/18.1.19) – und viel Enttäuschung bei den Wähler_innen.

Politik ist eben kein Wahl-O-(Auto)Mat: Wähler_innenstimmen rein – gewünschte und versprochene Politik automatisch raus. Versprechungen müssen auch über die Schlagworte hinaus sowohl konzeptionell wie auch praktisch umgesetzt werden. Und da sehe ich bei den Wittener Grünen noch kein Land.

*Es gibt kommunal in NRW keine „Regierung“ und damit auch keine Regierungsbeteiligung, sondern – soweit die Zuständigkeit reicht – „nur“ Ratsmehrheiten und mögliche Bündnisse zwischen Fraktionen, um solche Mehrheiten zu stabilisieren (gegenwärtig in Witten das sog. Bürgerbündnis – GroKo – von SPD und CDU).