Innenentwicklung vor Außenentwicklung?

Am 8.3.19 berichtet die WAZ über Wohnungsbauprojekte in Witten: „Stadt Witten setzt bei Neubauprojekten auf Lückenschluss“ Stadt Witten setzt bei Neubauprojekten auf Lückenschluss. Der Artikel beginnt gleich mit einer charakteristischen Verdrehung. Es heißt, dass in Witten bis 2030 1600 neue Wohnungen gebaut werden müssten, um die Einwohnerzahl von 98.000 zu halten. Die Zahlen resultieren aus einer durchaus fragwürdigen Wohnungsbedarfsprognose im Handlungskonzept Wohnen*, die – abgesehen von der Fragwürdigkeit – etwas ganz anderes aussagt, nämlich: dass bei einer angenommenen konstanten Einwohnerzahl von ca. 98.000 1600 neue Wohnungen notwendig wären, um den Bedarf zu befriedigen**.

Mir geht es hier aber nicht um diese Verdrehung und den realen Bedarf, sondern um die Aussage des Stadtbaurats, Innenentwicklung würde vor Außenentwicklung gehen. Das ist natürlich in dieser Allgemeinheit gut, aber:

– Die Außenentwicklung („grüne Wiese“) kommt schon deshalb nicht mehr in Frage, weil die Außenflächen nach jahrzehntelanger extensiver Vernutzung von Flächen (enorme Ausdehnung von Flächen für den Ein- und Zweifamilienhausbau in den Vororten!) immer stärker mit Restriktionen belastet sind.

– Die sog. Innenentwicklung ist angesichts des Klimawandels und seiner Auswirkungen nicht mehr unproblematisch, denn das Innen ist schon dicht bebaut. Heißt: Wer mehr Grün und Durchlüftung im Innen („Lückenschluss“) will, sollte sich vor zu starker Versiegelung hüten (betrifft natürlich Wohn- und Gewerbeflächen!). Und Bebauung ist immer mit Versiegelung verbunden.

Insofern reicht die Maxime „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ für eine vernünftige und nachhaltige Stadtplanung und -entwicklung nicht mehr. Die Zeiten ändern sich. Deshalb sollte jedes Projekt bei der Innenentwicklung unter Klima- und Nachhaltigkeitsgesichtspunkten auf den Prüfstand, um Schäden für die Stadt und ihre Bürger_innen zu vermeiden.

*Siehe dazu meine Beiträge „Kein Handlungskonzept, sondern unverbindliches Potpourri“/22.6.18, „Déjà vu: Vorausschauende Planung und Nachhaltigkeit – Pustekuchen!“/5.7.18 und „Auch für Wohnungsbauflächen gilt: Stur immer mehr und immer weiter führt in diie Sackgasse“/11.2.19.

**Also nicht durch Wohnungsbau zu Einwohnern, sondern wegen Einwohnern (die Zahl entspricht ungefähr dem Ist-Stand und impliziert, dass der Ist-Stand bis 2030 gehalten wird) zu Wohnungen als Bedarfsdeckung. Und natürlich bräuchte es weniger Wohnungsbau, wenn die Einwohnerzahl zurück gehen würde (deshalb ist in der genannten Prognose auch ein Monitoring vorgesehen). Ich halte übrigens einen Rückgang angesichts des weiterhin relevanten demografischen Faktors für wahrscheinlich.