Abschaffung der Stichwahl undemokratisch!

Am 19.2.19 fragt die WAZ die Fraktionen zu ihrer Position zur Stichwahl der Bürgermeisterin/des Bürgermeisters 2020:

An Ihre Fraktion im Wittener Rathaus

Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr,

Die schwarz-gelbe Landesregierung will mit ihrer Mehrheit NRW-Landtag die kommunale Bürgermeister-Stichwahl 2020 abschaffen. Für diesen Fall hat die SPD-Oppostion im Landtag eine Verfassungsklage angekündigt. 1994 hatte die SPD diese Stichwahl eingeführt, 2007 hatte die Schwarz-Gelb sie abgeschafft, 2011 hatte sie Rot-Grün wieder eingeführt.

Ich bitte Ihre Fraktion um eine kurze Stellungnahme:

Wie stehen Sie zum Plan der Landesregierung und zur angekündigten Klage dagegen?

Welche Folgen hätte aus Ihrer Sicht die Frage Stichwahl oder nicht bei der BM-Wahl 2020 bezüglich …
– der Frage, wessen Wahlchancen sich dadurch in Witten verbessern
– taktischer Überlegungen Ihrer Partei bzw. anderer Parteien in Witten bei der Kandidatenaufstellung (auch, ob Sie überhaupt einen eigenen Kandidaten aufstellen),
– möglicher Wahl-Koalitionen im Vorfeld bzw. Wahl-Empfehlungen bei einer Stichwahl

Bitte schicken Sie mir, so möglich, eine – gerne auch sehr kurze – schriftliche Stellungnahme bis Donnerstag, 21.2., 12 Uhr. Am Mittwoch bin ich nicht in der Redaktion.

Mit freundlichen Grüßen
Johannes Kopps
WAZ/WR-Redaktion
Bahnhofstr. 62
58452 Witten

Hier meine Antwort und Position, die ich auch der Fraktion bürgerforum übermittelt habe:

Ich lehne den Plan der Landesregierung ab und würde eine angekündigte Klage unterstützen.

Die Stichwahl ist die einzige Möglichkeit, mit den Stimmen z.B. der/des Drittplatzierten die Wahl (durch Wahlempfehlung oder nicht) zu beeinflussen und diese Stimmen nicht unter den Tisch fallen zu lassen. Insofern halte ich die Stichwahl für demokratischer als deren Wegfall.

Wahlchancen lassen sich deshalb nicht kalkulieren, weil diese sehr stark durch die jeweilige kandidierende Persönlichkeit beeinflusst werden.

Ich habe schon den Online-Aufruf von Mehr Demokratie NRW unterstützt:

Breites Bündnis für die Stichwahl

05. Dezember 2018 Von: Thorsten Sterk (Mehr Demokratie NRW):

Mehr Demokratie und Parteien starten Online-Aufruf

Gegen die Pläne von CDU und FDP, die Stichwahl bei Bürgermeister-, Oberbürgermeister- und Landratswahlen in Nordrhein-Westfalen abzuschaffen, hat die Initiative „Mehr Demokratie“ zusammen mit SPD, Grünen und weiteren Parteien einen Online-Aufruf zur Beibehaltung der Stichwahl gestartet. Zu den Zielen des Bündnisses und der Kampagne „Stichwahl bleibt!“ erklären der NRW-Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie, Alexander Trennheuser, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag NRW, Thomas Kutschaty MdL, und die Vorsitzende der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW, Monika Düker MdL:

Alexander Trennheuser: „Mit der Aktion ‚Stichwahl bleibt!‘ setzt sich ein starkes Bündnis für den Erhalt der demokratischen Qualität unseres Wahlrechts ein. Wir rufen alle Menschen in Nordrhein-Westfalen auf, unseren Aufruf zu unterschreiben. Dies gilt insbesondere für die Kommunalpolitiker von Parteien und Wählergemeinschaften. Auch Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte sind zur Unterzeichnung eingeladen.“

Thomas Kutschaty: „Der Plan von CDU und FDP zur Abschaffung der Stichwahl ist ein Angriff auf unsere gelebte Demokratie.

Ohne Stichwahlen können Kandidaten ins Amt kommen, die nur eine sehr geringe Stimmenanzahl auf sich vereinigen. So werden die Ämter von Bürgermeistern und Landräten entwertet. Mit einer Stichwahl hingegen erzielen die Gewählten in der Regel mehr absolute Stimmen als im ersten Wahlgang. Bei den Kommunalwahlen 2014 und 2015 war das in 73 Prozent aller Stichwahlen der Fall. So können sich die gewählten Vertreter auf eine breite Legitimationsbasis in ihrem Amt stützen.

Das zeigt eindeutig: Der Vorstoß zur Abschaffung der Stichwahl dient nur einem einzigen politischen Kalkül: Die CDU und Armin Laschet wollen sich mit weniger Demokratie mehr Macht in den Rathäusern von NRW sichern. Die Menschen in unserem Land wünschen sich aber mehr Mitbestimmung, nicht weniger.“

Monika Düker: „Mit der geplanten Abschaffung der Stichwahl biegt sich die CDU das Wahlrecht für den eigenen Vorteil zurecht. In der Vergangenheit konnten sich etliche CDU-Kandidaten trotz Stimmenvorteil im ersten Wahlgang in der Stichwahl nicht durchsetzen. Anstatt zu überlegen, wie man eigene Anhänger besser überzeugen und mobilisieren kann, antwortet die Koalition mit einem Abbau kommunaler Demokratie. Das Wegfallen der Stichwahl wird kleinere Parteien in taktische Bündnisse zwingen. Die Auswahl geeigneter Kandidaten verlagert sich so von der Wahl an der Urne in die Hinterzimmer der Parteizentralen.

Die Argumentation der fehlenden Legitimation durch sinkende Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang fällt bei einem Blick in die Ergebnisse der Stichwahlen 2014 und 2015 wie ein Kartenhaus in sich zusammen. In den allermeisten Fällen stärkte die Stichwahl die Legitimation der neu gewählten Amtsinhaber, denn sie erhielten mehr Stimmen als im ersten Wahlgang.“