Wenn Du geschwiegen hättest …*

In der WAZ vom 12.6.17 („Baumschutz: SPD warnt vor falschen Informationen“) lese ich, dass die Wittener SPD in Person von Herrn Dr. Rath (Fraktionsvorsitzender) die Baumschutzinitiative vor falschen Informationen warnt. Die Duisburger Komplettabschaffung der Baumschutzsatzung sei mit der Wittener „Anpassung“ nicht zu vergleichen.

Nicht zu vergleichen? Der einzige Unterschied besteht darin, dass in Duisburg der gesamte innerörtliche private Baumbestand durch die Komplettabschaffung von ersatzloser Fällung bedroht wird. In Witten sind es durch die „Anpassung“ „nur“ 75% (nach Angaben des Grünflächenamts**).

Die Veranstaltung der Baumschutzinitiative morgen soll deshalb nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, wie Dr. Rath suggeriert, sondern deutlich machen, dass jede Abschaffung oder „Anpassung“ (mit Freigabe von ersatzlosen Fällungen) die Gefahr einer mengenmäßig relevanten Fällung von Baumbeständen und damit eine Sabotage des örtlichen Klimaschutzes darstellt (siehe mein Beitrag „Endlich: Der Widerstand hat sich formiert“/7.6.17):

Informationsveranstaltung der Baumschutzinitiative: Am 13.6.2017 um 19 Uhr im  Hotel Ardey, Ardeystraße 11 in Witten

Echt skurril wird es aber bei der Einzelbegründung. Ich zitiere aus dem WAZ-Beitrag: „Die neue Satzung trage dem Klima- und Umweltschutz Rechnung und sei bürgerfreundlicher. Als Birken, Nadelbäume, Pappeln und Weiden noch unter Schutz standen, seien sie manchmal gefällt worden, bevor sie 80 cm Stammumfang erreicht hatten, weil sie danach unter die Satzung fielen“.

Was will uns Dr. Rath damit sagen? Dass der Wegfall jeglichen Schutzes durch die neue Satzung die angesprochenen Baumarten jetzt besser schützt? Vorher waren diese Bäume ab 80 cm Stammumfang geschützt, jetzt gar nicht mehr, und das soll zum Erhalt der Bäume beitragen? Wie das?

Für hanebüchen halte ich die Argumentation von Dr. Rath aber dann, wenn er es unterlässt, darauf hinzuweisen, dass die 80 cm auch in der neuen Satzung für die nicht außer Schutz gestellten Bäume gelten. Zitat neue Baumschutzsatzung: „§ 2 Schutzgegenstand/ 2) Geschützt sind: a) Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 80 cm.“

Folgt mensch der Logik der Rathschen Argumentation analog zu den außer Schutz gestellten Bäumen (Möglichkeit zur Fällung und Wegfall von Erstzpflanzungen führt zu mehr Baumbestand, weil Bäume unter 80 cm Stammumfang nicht mehr vor Erreichen der Schutzwirkung der Baumschutzsatzung gefällt werden), dann müsste allerdings wie in Duisburg die Baumschutzsatzung abgeschafft werden***.

Ob allerdings eine Komplettabschaffung wie in Duisburg oder „Anpassung“ wie in Witten „bürgerfreundlicher“ sind, wage ich zu bezweifeln. Dem einzelnen Bürger mag es über Kosteneinsparung nutzen, der Allgemeinheit und dem Klimaschutz nicht.

*Lateinisch: „Si tacuisses, philosophus mansisses“ – „Wenn Du geschwiegen hättest, hätte man Dich weiterhin für einen Philosophen gehalten“, soll heißen: Wenn Du geschwiegen hättest, hättest Du keine Eselei von dir gegeben.

**In einem WAZ-Artikel vom 5.12.16 „Stadt Witten stellt Baumschutzsatzung auf den Prüfstand“ wird das Grünflächenamt mit einer Zahl zitiert.

***Wie übrigens von der WBG (Wittener Bürger Gemeinschaft) 2015 gefordert. Pikant: Die WBG-Vertreter im Rat haben bei der Abstimmung am 30.3. auch gegen die „Anpassung“ der Wittener Baumschutzsatzung votiert – aber nicht, weil sie für den weiteren Schutz der Bäume waren, sondern weil ihnen die „Anpassung“ nicht weit genug ging. Sie hätten gern die Baumschutzsatzung gänzlich abschaffen wollen.