Politischer Pfusch: Kunst im öffentlichen Raum – eine Angelegenheit auserwählter „Kunstspezialisten“?

Manche Produkte aus dem Ratszusammenhang sind für ein erfahrenes Ratsmitglied schwer zu ertragen. Dabei denke ich nicht an politische Positionen, die nicht meinen entsprechen. Die zu ertragen, gehört schließlich zum Geschäft. Gemeint ist schlechtes Handwerk, also Produkte (Anträge, Anfragen), die sich durch mangelnde Kenntnis einer in Rede stehenden Sache und/oder Kenntnis der Regeln der Ratsarbeit auszeichnen.

Denn bei der Ratsarbeit ist es wie mit dem Verkehr: Ich kann mich auch nicht einfach ins Auto setzen und nach Lust und Laune los düsen, sondern muss die jeweilige Verkehrssituation berücksichtigen und mich an die Straßenverkehrsordnung halten – sonst verursache ich Schäden für mich und /oder Kollateralschäden, oder mache mich bei allzuviel Hampelei im Straßenverkehr schlicht lächerlich.

Ich werde deshalb in Folge Highlights schlechten Handwerks unter der Rubrik „politischer Pfusch“ auf dieser homepage aufgreifen. Sozusagen im Sinne von Transparenz als Qualitätskontrolle für nicht unmittelbar mit Ratsarbeit befasste Bürger.

Leider muss ich feststellen, dass sich Beispiele schlechten Handwerks seit der letzten Kommunalwahl vor allem im Bereich der sog. Opposition häufen. Mögliche Ursachen: Unerfahrenheit, Frage- und Lernverweigerung und/oder Profilierungssucht der „Kleinen“. Hinzu mag die große Koalition von SPD/CDU kommen, weil es in dieser Konstellation eh nicht auf in der Umsetzung von zu verantwortender Qualität ankommt – die anderen haben so oder so die Mehrheit.

Ein jüngstes Beispiel für schlechtes Handwerk ist folgender Anfrageentwurf:

„Anfrage zur Kunst im Öffentlichen Raum

Grundsätzlich ist es gut, wenn Kunst im Öffentlichen Raum aufgestellt wird. Das belebt eine Stadt, macht sie bunter und attraktiver.
Wenn aber, wie zuletzt geschehen bei dem Kreisel in Rüdinghausen (Reng Rong) und dem 1. Kreisel in Herbede (A. Pietsch) private Geldgeber im Kontakt mit der Stadt (Baurat Bradke, Bürgermeisterin Leidemann) die Realisierung übernehmen, stellen sich neue Fragen.
So hat es in Witten vor längerer Zeit mehrere Wettbewerbe zur Kunst im Öffentlichen Raum gegeben. Der Marktplatz in Herbede ist auf diese Weise gestaltet worden und der Preis für einen Entwurf auf dem ehem. KZ-Gelände in Annen, zuletzt die Gestaltung der Bommeraner Brücke im Verein Akzente unter Mitwirkung von Museumsdirektor und Bürgermeister.
1. Wann und warum ist dieses übliche demokratische Wettbewerbsverfahren verlassen worden?
2. Wer ist dafür verantwortlich? Wer hat wann dazu einen Beschluss gefasst?
3. Wer ist heute für Kunst im Öffentlichen Raum in Witten zuständig und verantwortlich?
4. Nach welchen Kriterien, (welches Gremium? welcher Wettbewerb? etc.) wird das Aufstellen von Kunst im Öffentlichen Raum in Witten geregelt?“

Ich kommentiere diese Einlassungen, die die/der Fragende bei einigem Einsatz von Hirnschmalz und Recherche auch selbst hätte beantworten können:

– Die erwähnten Ausschmückungen der Kreisverkehre Herbede und Rüdinghausen sind nicht durch undurchsichtige Kontakte mit der Bürgermeisterin und dem Stadtbaurat zustande gekommen, sondern als Vorschlag an die Verwaltung heran getragen worden. Diese hat die Vorschläge per öffentlicher Verwaltungsvorlage dem zuständigen Ratsgremium, dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz (ASU), zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat dann demokratisch entschieden: Über die Gestaltung des Kreisverkehrs Friedrich-Ebert-Straße/Kreisstraße ist im ASU am 15.3.15 entscheiden worden, über die des Kreisverkehrs Wittener Straße/Vormholzer Straße am 8.5.14. Woher die Vorschläge kommen und wer sie zuerst an wen heran getragen hat, ist doch vollkommen gleichgültig. Der Unterton der Kungelei ist vollkommen fehl am Platz. Von etwaigen kritischen Stimmen in der Öffentlichkeit zu den ja nun schon einige Zeit zurückliegenden Vorgängen, die in der Presse ausführlich bekannt gemacht worden sind, ist im Übrigen auch nichts vermeldet worden.

– Die angesprochenen Referenzen bzgl. Wettbewerbe in Witten stammen aus ganz unterschiedlichen Planungs- und Gestaltungszusammenhängen. Die Gestaltung des Marktplatzes Herbede war ein aufwändiges städtebauliches Planungsverfahren – wobei ich mich frage, wo dort Kunst im öffentlichen Raum vertreten ist. Oder ist der Platz an der Schmiede gemeint? Dieser kostspielige Wettbewerb ist anno dunnemals im Zuge der Neugestaltung des Herbeder Zentrums durchgeführt und aus Sanierungsmitteln finanziert worden – wahrscheinlich Anfang der 1980er-Jahre. Von einem aufwändigen Wettbewerb in Zusammenhang mit dem ehem. KZ-Gelände in Annen ist zumindest im Zusammenhang der letzten Gestaltung nichts bekannt – der kostspielige Wettbewerb für das Gelände liegt 15 Jahre zurück, und die Gestaltung der Bommeraner Brücke (gemeint ist wahrscheinlich die Unterführung Ruhrstraße) ist intransparent und nach Kriterien der/des Fragenden per Kungelei in der Gruppe Akzente entschieden worden.

– Die sog. üblichen demokratischen Wettbewerbsverfahren sind also schlicht ausfantasiert. Darüber hinaus: Wettbewerbe machen Sinn mit unterschiedlichen Wettbewerbern. Wer trägt die Kosten des Wettbewerbsverfahrens – die Stadt kann und darf es wegen ihrer Haushaltsschieflage/Nothaushalt nicht mehr? Wer bezahlt dann die beteiligten Künstler, die ja Zeit und Arbeit in Entwürfe investieren sollen? Und wer bezahlt das Verfahren der Jurierung? Und wer besetzt die Jury? Und vor allem: Wer entscheidet am Ende: die für den öffentlichen Raum zuständigen demokratisch gewählten Gremien oder eine kleine Gruppe irgendwelcher Juroren mit problematischer Fachqualifikation (Es sei denn, die Jury wird hochkarätig besetzt, dann wird’s teuer und geht eben nicht mehr: Haushaltsschieflage/Nothaushalt!)?

– Die Frage, wer für Kunst im öffentlichen Raum der Stadt zuständig ist, hätte sich die/der Fragende auch leicht beantworten können: Natürlich die demokratisch gewählten und für den öffentlichen Raum zuständigen Ratsgremien: s.o.. Oder „demokratisch“ wie sonst?

Ich fasse zusammen: Die Anfrage dokumentiert eine schludrige Argumentation und die frustrierte Nörgelei über (unverstandene) Verfahren: ICH,ICH,ICH/WIR,WIR,WIR sind bisher nicht entscheidend beteiligt worden.

Dazu kann ich nur sagen: Na und? Hat’s der Sache geschadet? Was sind das für geheimnisvolle Kriterien, die zum Zuge kommen sollen? Und wird von der/dem Fragenden demokratisch gewählten Gremien die Fähigkeit abgesprochen, Kunst im öffentlichen Raum beurteilen zu können? Lauter Idioten in Sachen Aesthetik?

Wie gesagt: Mangelnde Kenntnis einer in Rede stehenden Sache und/oder Kenntnis der Regeln der Ratsarbeit sind kein Merkmal für Qualität, sondern vermeidbarer Pfusch.

Übrigens: Es gab 2007 politische Initiative der SPD (Antrag) zur Bildung eines Gestaltungsbeirats. Die Initiative ist leider nicht erfolgreich gewesen, könnte aber jederzeit wieder aufgegriffen werden. Vielleicht ein Projekt für die neue Bürgermeisterin/den neuen Bürgermeister, die neue Stadtbaurätin/den neuen Stadtbaurat oder gar die große Koalition (eine Mehrheit dürfte ja garantiert sein)? Ein solcher Beirat könnte sich zu Kunst im öffentlichen Raum räuspern, aber auch zu darüber hinaus gehenden Fragen und Problemen städtebaulicher Gestaltung. In Witten wäre das dringend notwendig.